Historische Kokain-Razzia

Drogenschmuggler nutzen Sicherheitslücken in Deutschland aus

Der bislang größte Kokainaufgriff wurde offenbar bereits im vergangenen Jahr 2023 im Hamburger Hafen entdeckt - 35 Tonnen der illegalen Droge mit einem Straßenverkaufswert von mehreren Milliarden Euro. Monatelang hielten sich die Behörden bedeckt über den spektakulären Fund. Doch wie am heutigen Freitag mitgeteilt wurde, gab es jetzt im Zusammenhang mit den Ermittlungen unter dem Aktenzeichen "OP Plexus" großangelegte Razzien in sieben Bundesländern. Der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel hatte sich am Vortrag bereits im Interview mit ARD Brisant anlässlich eines erneuten Kokainfundes in Brandenburg geäußert: Die Politik muss endlich mehr zur Stärkung des Zolls tun.

14. Juni 2024

Bei den heutigen Razzien wurden sieben Haftbefehle vollstreckt, wie die Zentralstelle für Organisierte Kriminalität bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft mitteilte. Durchsuchungen fanden unter anderem in Bonn, Köln, Leverkusen, Hamburg, München und Frankfurt statt. NRW-Justizminister Limbach will am Montag bei einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Düsseldorf zusammen mit dem Leiter des Zollkriminalamtes weitere Details zu dem Ermittlungsverfahren bekanntgeben. Der Kokainfund im Hamburger Hafen würde damit die bisherige Rekordsicherstellung von über 16 Tonnen aus dem Jahr 2021 deutlich übertreffen.

Erst am Donnerstag, 13.06., hatte sich der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel im Interview mit der ARD-Sendung Brisant zum Kokainaufgriff in einem Brandenburger Obstgroßhandel geäußert. Dort wurde zum vierten Mal in Folge Kokain gefunden. Dies zeigt die Dreistigkeit der Kartelle, die immer wieder dieselben Schmuggelwege nutzen und unterstreicht die Notwendigkeit von Investitionen in den Zoll als Kontrollbehörde.

BDZ warnte lange vor Kokainschwemme

Unter Fachleuten ist bekannt, dass selbst 35 Tonnen - rund ein Zehntel des in ganz Europa jährlich sichergestellten Kokains - selbst nur einen kleinen Teil der Droge ausmacht. Denn die Dunkelziffer liegt wohl um ein Vielfaches höher. Wie können solch riesige Drogenmengen überhaupt nach Deutschland gelangen?

Der BDZ beklagt seit Jahren die gravierenden Sicherheitslücken und hatte etwa im Juni 2023 ausführlich über die Steigerung der Aufgriffszahlen und die Problematik der sog. Hafeninnentäter berichtet. Ein Hauptproblem bleibt zum einen die mangelhafte Kontrollausstattung in den deutschen Häfen im Vergleich zu Nachbarländern, erklärt der BDZ-Vorsitzende Thomas Liebel. "In Rotterdam gibt es bis zu 20 hochmoderne Röntgenanlagen zum Scannen von Containern. In Hamburg haben wir nur eine solche Anlage." Um die Drogen wirklich im größeren Umfang identifzieren zu können, müssten diese Anlagen beispielsweise 3D-fähig sein und die Röntgenbilder mit Hilfe von KI auswerten könnten, betont Liebel. Solche Technik sei aber noch nicht im Einsatz.

Die Wahrscheinlichkeit für Schmuggler, in den deutschen Seehäfen unentdeckt zu bleiben, ist hoch. Doch nicht nur die Kontrollinfrastruktur ist zu gering bemessen. "Wir haben einen dramatische Unterfinanzierung bei den Zollbehörden", betont Liebel. Durch die Mängel in der Ausstattung können längst nicht alle Instrumente zum Einsatz kommen, die hilfreich wären - zum Beispiel Observationstechnik, Drohnen oder mehr Zollhunde. Zudem ist der Personalbestand der mobilen Kontrolleinheiten des Zolls über zwanzig Jahre nicht verändert worden, obwohl immer neue Aufgaben hinzugekommen sind - zuletzt Cannabislegalisierung, Wachschutzaufgaben und Amtshilfe für die Bundespolizei. Diese Engpässe verschlimmern das Problem, dass längst nicht jede risikobehaftete Sendung kontrolliert werden könne. Liebel: "Die Schmuggler wissen das und nutzen diese Lücken skrupellos aus."

Hafensicherheit muss endlich zur Top-Priorität werden

Erschreckend ist zudem die unzureichende Zusammenarbeit mit den Ausgangsländern in Südamerika, wo die Drogenkartelle ansässig sind. Zwar hat Bundesinnenministerin Faeser im Februar 2024 auf einer Reise nach Peru eine gemeinsame Absichtserklärung im Kampf gegen organisierte Kriminalität (OK) mit dem peruanischen Innenminister unterzeichnet und im Mai auf einem Minister-Treffen eine Koalition europäischer Staaten gegen OK angekündigt. Ein wesentliches Thema war dabei die Zusammenarbeit staatlicher und privater Akteure für  mehr Hafensicherheit.

Jedoch sind in der Praxis dringend mehr Informationsaustausch und verbindliche Kooperation auf Augenhöhe nötig, um den globalen Netzwerken der Organisierten Kriminalität Einhalt zu gebieten. Von der Politik wäre beispielsweise zu erwarten, dass sie sich stärker für sicherheitsgeprüfte Hafenterminals in den Ausgangsländern in Südamerika einsetzt, damit die Drogen gar nicht erst in diesem Umfang verschifft werden können.

Mit Blick auf Europa fordert der BDZ eine Hafensicherheitsinitiative, die ihren Namen auch verdient hat. Dies muss verbindliche Mindeststandards bei Sicherheitsausstattung und Personalbemessung der Kontrollbehörden der Mitgliedsstaaten umfassen, was auch dauerhaft und nicht nur punktuell finanziert werden muss. "Wir dürfen den Kriminellen nicht länger den Vorsprung lassen", warnt Liebel. Zudem müsse auch Geldwäscheaktivitäten konsequenter nachgegangen werden, um das Geschäftsmodell der Kartelle auszutrocknen.  

Die Rekordsicherstellung der 35 Tonnen Kokain könnte ein Durchbruch im Kampf gegen den Drogenhandel sein, hoffen Sicherheitskreise. Aus Sicht des BDZ darf dies jedoch kein Strohfeuer bleiben. Weitere Razzien, Kontrollen und vor allem grundlegende Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheitsbehörden müssten folgen, um die eklatanten Lücken in Deutschlands Sicherheitsarchitektur endlich zu schließen.

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