Zolltag 2015: Alarmierende Zunahme des Schmuggels mit Drogen und Tabak
Unter dem Motto „Illegaler Handel im europäischen Raum: Menschen – Waren – Kapital“ fand am 2. Dezember 2015 in Berlin der vom „Behörden Spiegel“ veranstaltete Zolltag 2015 statt, an dem BDZ-Bundesvorsitzender Dieter Dewes aus Sicht seiner Gewerkschaft zu den aktuellen Problemen bei der Bekämpfung des illegalen Schmuggels mit Drogen und Tabak Stellung bezog. Weitere Teilnehmer einer vom früheren Direktor von Europol, Jürgen Storbeck, moderierten Podiumsdiskussion waren Dr. Peter Keller (Zollkriminalamt), Dr. Martin Koziolek (Oberstaatsanwalt Oldenburg) und Prof. Dr. Arndt Sinn (Universität Osnabrück).
- Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion: Dieter Dewes, Prof. Dr. Arndt Sinn, Jürgen Storbeck, Dr. Peter Keller und Dr. Martin Koziolek, v.l.
Einleitend beklagte Dewes eine alarmierende Zunahme des Schmuggels mit Drogen und Tabak. So gelangten jährlich bis zu fünf Tonnen Crystal aus Drogenküchen in Tschechien in den illegalen Handel nach Deutschland. Die Stückzahl unversteuerter Zigaretten sei in der Entsorgungsstudie 2013 auf 21,7 Milliarden jährlich beziffert worden. Damit bleibe der illegale Zigarettenhandel eine der größten Ursachen für die Verluste bei den Steuereinnahmen und Umsatzeinbußen bei Herstellern und Händlern. Vor allem über Polen und Tschechien komme die Ware ins Land, die häufig auf Märkten in Grenznähe angeboten werden.
Die Zigarettensicherstellungen durch den Zoll seien in den vergangenen Jahren rückläufig und hätten 2014 bei 126 Millionen Stück gelegen. Im selben Jahr seien rund 1000 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Am häufigsten werde die Marke „Jin Ling“ vor allem im Ruhrgebiet konsumiert, die zum Preis von unter 20 Euro pro Stange, also 200 Stück, illegal zum Verkauf angeboten werde und Schadstoffe wie Pestizide, Holzfaser und Milben enthalte, berichtete Dewes.
Im Bereich der Transportwege sei eine Verlagerung auf den Seeverkehr zu beobachten. Der überwiegende Teil an Schmuggelzigaretten werde somit über den Containerverkehr verbracht. Im Rahmen von Zollkontrollen von Lkw-Transporten sei bei sichergestellten Zigaretten ein erheblicher Rückgang zu verzeichnen. Kleine Transporte im sogenannten „Ameisenverkehr“ verminderten das Entdeckungsrisiko, wobei sich die Täter immer weiter professionalisierten, so Dewes.
Auf die Frage, wie der Zoll aufgestellt sei und was der BDZ wolle, antwortete Dewes, das Anliegen seiner Gewerkschaft beschränke sich nicht darauf, pauschal eine Personalaufstockung zu fordern. Vielmehr stehe die Aufgabenerledigung im Vordergrund. Hier mangele es allerdings an Personal- und Sachausstattung insbesondere der Kontrolleinheiten Verkehrswege und im Zollfahndungsdienst. Fakt sei aber, dass Personaldefizite bestünden und die Altersstruktur ungünstig sei. Die Konsequenz sei, dass die Kontrolldichte nicht in der Weise erhöht werden könne, wie es die Zunahme des Drogen- und Tabakschmuggels erfordere.
Positiv hob Dewes hervor, dass derzeit Konzepte mit dem Ziel der Verbesserung der Aufgabenerledigung erarbeitet würden, die – wenn auch nicht kurzfristig – bei der Bekämpfung des Zigaretten- und Drogenschmuggels hilfreich sein könnten. Es gebe Fehlbestände, die korrigiert werden müssten. Das gelte etwa für die Informationsgewinnung und die Analyse in terrorismusrelevanten Bereichen. So müsse modernste Detektions- und Röntgentechnik beschafft werden. Dazu gehörten beispielsweise vollmobile Röntgenanlagen, Durchsuchungsmobile und Videoendoskope zur Überprüfung von Hohlräumen. Auch müsse eine ausreichende Anzahl von Hallen zur Kontrolle bereit gestellt werden.
Im Rahmen des EMCS, also des EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystems für verbrauchsteuerpflichtige Waren, scheiterten Ermittlungserfolge schon daran, dass der Zoll keine ausreichenden Zugriffsdaten habe, wenn Deutschland lediglich als Transitland genutzt werde, kritisierte Dewes. Es besteht keine Möglichkeit eines lesenden Zugriffs, was zwangsläufig zu einer Frustration der Beschäftigten führe.
Er verwies auf dem Bundesinnenministerium seit 2012 vorliegende Schreiben des Bundesfinanzministeriums, in denen gefordert wird, dass beispielsweise die Sachgebiete F bei den Hauptzollämtern Zugriff auf das Ausländerzentralregister haben, um Verfahrensabläufe zu beschleunigen. Bis heute habe sich in dieser Frage jedoch nichts getan, was zur Folge habe, dass unnötig lange Verfahren geführt werden müssen.
Auch bestehe für den Zoll kein direkter Zugriff des Zollfahndungsdienstes auf das Zollabwicklungssystem ATLAS, was zu unverhältnismäßig hohem Ermittlungsaufwand führe. Dewes plädierte für eine bessere Zusammenarbeit in den Prozessen Kontrolle, Ermittlung und Ahndung. Notwendig sei auch ein besserer Informationsaustausch mit Bundespolizei und Landespolizeien – angefangen von Schichtplänen über die gemeinsame Nutzung von Technik und Ausstattung. Verbundgruppen haben sich aus Sicht des Zolls bewährt. Abschließend sprach sich Dewes dafür aus, die Möglichkeit eines ganzheitlichen Kontrollansatzes sowohl im Hinblick auf die zollamtliche Überwachung als auch auf die grenzpolizeiliche Aufgaben zu eröffnen.