Gewerkschaftstag des dbb beamtenbund und tarifunion: Bundeskanzler Scholz fordert Selbstverpflichtung der Politik
Der Bundeskanzler sprach am dbb Gewerkschaftstag zu den Herausforderungen für den öffentlichen Dienst nach dem Anfang dieses Jahres durch den russischen Angriffskrieg ausgelösten Zeitenwende. „Sie sind die Gestalter der Zeitenwende“, betonte der Bundeskanzler gegenüber den Anwesenden der 41 Fachgewerkschaften, darunter auch den Delegierten des BDZ. Sowohl der Kanzler als auch die anschließende Runde von Spitzenpolitikern der Parteien richteten selbstkritische Worte an die Politik: Man wolle künftig verstärkt auf diejenigen hören, die die Regelungen nachher umsetzen müssen.
Bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben müssen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes die richtigen Rahmenbedingungen vorherrschen. Diese Kernbotschaft verkündete Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Öffentlichen Veranstaltung des dbb Gewerkschaftstages am 29. November 2022 in Berlin. Das Bundesministerium des Innern (BMI) arbeite daher an der Ausgestaltung der im Jahr 2020 höchstrichterlich durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten und vom dbb geforderten Anpassungen im Bereich der amtsangemessenen Alimentation. Auch der BDZ hatte die leistungsgerechte Besoldung und die Einlösung abgegebener Versprechen wie die Ruhegehaltsfähigkeit der Polizeizulage wiederholt eingefordert. Wir hoffen daher, dass diesen Worten bald Taten folgen und ein entsprechender Gesetzentwurf zur Behebung der verfassungswidrigen Besoldungssituation aus dem BMI zeitnah vorgelegt wird.
Scholz räumte ebenfalls ein, dass der Staat in Sachen Digitalisierung besser werden muss. So griff der Kanzler die Kritik des wiedergewählten dbb Bundesvorsitzenden Silberbach an den sich in den Dienststellen stapelnden Papierakten auf: Wenn Bürger/innen digital mit den Behörden kommunizieren, dürfe die nachgelagerte Kommunikation innerhalb der Behörden nicht einfach analog weiterlaufen. Als BDZ werden wir die vom Bundeskanzler geführte Regierung besonders an diesem Anspruch messen. Denn gerade im Geschäftsbereich der Bundesfinanzverwaltung haben wir immer wieder angemahnt, dass fehlende IT-Lösungen die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen regelrecht ausbremsen.
Keine funktionierende Wirtschaftspolitik ohne starken Zoll
Am Beispiel des Klimawandels machte Silberbach deutlich: Das Lösen der wesentlichen Probleme unserer Zeit droht, an fehlendem Personal zu scheitern. Wer soll die Genehmigungen für die vielen neuen Windräder erteilen? Wer die vielen Energiespar-Vorgaben kontrollieren? Dasselbe kann auch vom Zoll gesagt werden. Ohne einen starken Zoll gibt es keine zukunftsfähige und souveräne Wirtschafts- und Handelspolitik. Als Partner der Wirtschaft sorgen wir für fairen Wettbewerb und die Durchsetzung handelspolitischer Regeln und Standards in einer immer „multipolarer“ werdenden Welt mit dramatisch ansteigendem Volumen an Waren- und Dienstleistungsverkehr zwischen den verschiedenen „Polen“. Es wird allzu häufig vergessen, dass gerade die deutsche Wirtschaft wie keine andere auf diese Punkte angewiesen ist. Unsere Zukunft in der Welt werden wir nur mit funktionierenden Handelsbeziehungen, nicht nur innerhalb der EU und zu den USA, sondern auch zu den sog. BRICS-Staaten und anderen Schwellenländern, behaupten können.
Bundesbeamte/innen leisten Sparbeitrag in Höhe von 10 Milliarden Euro
Aufgrund der ausgebliebenen Fortschritte in den wichtigen Bereichen Bezahlung, Digitalisierung und Fachkräftegewinnung fordern inzwischen schon private Arbeitgeberverbände mehr Investitionen in den öffentlichen Dienst. Deshalb wäre es das Mindeste, den Sparbeitrag in Höhe von 10 Milliarden Euro anzuerkennen, den die Bundesbeamten/innen durch die Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 41 Stunden erbracht haben. Zusammen mit dem dbb fordern wir seit Langem die Rückführung auf 39 Stunden, um ein klares Signal für attraktive Arbeitsbedingungen zu setzen. Und dieser Schritt wäre nur der Anfang einer ganzen Reihe längst überfälliger Maßnahmen.
Politiker-Runde einig: Bessere Bezahlung ist nötig
Auf einer Podiumsdiskussion vertreten waren Emily Büning (Politische Geschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen), Mario Czaja (Generalsekretär der CDU), Konstantin Kuhle (Stellv. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion), Kevin Kühnert (Generalsekretär der SPD) und Susanne Ferschl (Stellv. Vorsitzende Bundestagsfraktion Die Linke). Der Talk stand unter dem Motto „Demografischer Wandel und Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst: Ist die Arbeit für unseren Staat noch attraktiv genug? Kann der öffentliche Sektor seine Kernaufgaben in Zukunft noch erfüllen?“
Diese Fragen beantworteten alle anwesenden Politiker/innen damit, dass die aktuellen Gehälter definitiv nicht akzeptabel seien. An diesem Bekenntnis werden wir die Vertreter/innen der Parteien künftig messen. Der stellv. FDP-Fraktionsvorsitzende Kuhle unterstrich die Bedeutung von durchlässigeren Laufbahnen, zwischen denen ein Wechsel einfacher möglich sein solle (wie seit Jahren vom BDZ gefordert). Verständnis zeigte der FDP-Politiker angesichts der hohen Inflation auch für die vom dbb erhobene Tarifforderung. CDU-Generalsekretär Czaja regte an, die individuelle Erfahrung der Beschäftigten auch stärker in den Besoldungsstrukturen zu berücksichtigen. Die Grünen-Bundesgeschäftsführerin Büning wies auf die Vorbildfunktion des Staates hin, die durch mehr Diversität und arbeitnehmerfreundliche Lösungen zum Ausdruck kommen sollte. Die stellv. Linken-Fraktionsvorsitzende Ferschl forderte, konkreter auf die Bedürfnisse der einzelnen Beschäftigtengruppen einzugehen, z.B. Übernahmegarantien für Auszubildende (wie ebenfalls vom BDZ gefordert). SPD-Generalsekretär Kühnert wies auf Zielkonflikte hin und bemängelte, dass Regelungen in einigen Bereichen des öffentlichen Dienstes dazu führten, dass andere Bereiche blockiert würden.
Der dbb Chef Silberbach rundete die oft sehr ins politische Tagesgeschäft abdriftende Diskussion mit einer Klarstellung ab. Nicht die Personalvertretungen seien das Problem, sondern der Gesetzgeber. Dieser bringe ständig neue Gesetze auf den Weg, ohne für die notwendige Unterfütterung durch Personal und Ausstattung zu sorgen. Somit bleibt uns nur übrig, den Appell von Bundeskanzler Scholz an ihn zurück zu richten: Gesetzgebung und Verwaltung dürfen nicht auseinanderfallen.