E-Commerce
Der Wegfall der Mehrwertsteuerbefreiung kommt zum 1. Juli 2021, die digitale und personelle Unterstützung bleibt aus!
Es ist so weit: Zum 1. Juli 2021 greifen die Regelungen des Mehrwertsteuer-Digitalpakets. Damit gehen weitreichende und komplexe Änderungen im Bereich des E-Commerce einher. Die Zollverwaltung rechnet mit mehr als 100 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen pro Jahr. Doch die Unterstützung der Zollabfertigung bleibt vorerst aus. Das in Aussicht gestellte IT-Fachverfahren ATLAS-IMPOST wird voraussichtlich erst zum 15. Januar 2022 in Betrieb gehen – übergangsweise soll die Allzweckwaffe „mit Mitteln der Bürokommunikation“ zur Bewältigung dieser Massenverfahren zum Einsatz kommen.
Auch das versprochene Personal bleibt aus, obwohl die Zollstellen derweilen massiv mit der Bewältigung der Auswirkungen des Brexits ausgelastet sind. Im Regierungsentwurf zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2022 wird deutlich, dass sich die politisch Verantwortlichen erneut ihrer Verantwortung gegenüber den Zöllnerinnen und Zöllnern entziehen. Das berühmte Streichkonzert dringend benötigter Planstellen für die Zollabfertigung zeigt bereits Wirkung: 1.400 zusätzliche Planstellen wurden vom BDZ zur Bewältigung des E-Commerce gefordert, ein Personalmehrbedarf von 1.047 Arbeitskräften wurde von der Generalzolldirektion für den Bundeshaushalt 2022 angemeldet, zwischenzeitlich zeichnet sich eine Reduzierung der dringend benötigten Planstellen auf sage und schreibe 50 Arbeitskräfte ab – vorbehaltlich der Billigung des Parlaments.
Der BDZ warnte bereits seit geraumer Zeit vor den Szenarien des E-Commerce in der Zollabfertigung. Denn die Masse der zusätzlichen Zollanmeldungen wird ohne personelle und digitale Unterstützung zu Lasten der Arbeitsqualität, der Kontrollen und nicht zuletzt der Funktionsfähigkeit der Zollämter gehen.
Hintergrund
Mit dem Mehrwertsteuer-Digitalpaket kommen rechtliche Änderungen, die erhebliche Auswirkungen vor allem auf die Abfertigung aber u.a. auch auf die Sachgebiete B der Hauptzollämter haben. Zum einen entfällt die Mehrwertsteuerbefreiung für kommerzielle Sendungen bis 22 Euro. Zum anderen muss zwingend für jede Sendung eine elektronische Zollanmeldung abgegeben werden. Die bisherigen Vereinfachungen für Sendungen unter 22 Euro entfallen. Darüber hinaus ist die Abgabe einer Zollanmeldung für den freien Verkehr für Sendungen, für die eine Zollbefreiung als Geschenksendung (bis 45 Euro) oder Sendung mit geringem Wert (bis 150 Euro) gemäß der Zollbefreiungsverordnung greift, nur noch im Bestimmungsland möglich, es sei denn es wird das so genannte IOSS-Verfahren (Import One Stop Shop) genutzt. Das bedeutet, dass derartige Sendungen, die für Deutschland bestimmt sind, auch hier zum freien Verkehr abgefertigt werden müssen. Der BDZ hatte hierzu bereits umfangreich berichtet.
Das Abfertigungsvolumen steigt durch Brexit und E-Commerce exorbitant an, das Personal bleibt aus!
Insgesamt wird es durch die neuen Regelungen zu einer Vielzahl an zusätzlichen elektronischen Zollanmeldungen beim deutschen Zoll kommen, die risikoorientiert abzufertigen sind. Ursprünglich ging der Zoll von ca. 100 Millionen zusätzlichen Sendungen aus, die zollrechtlich abzufertigen sind. Inzwischen rechnen Experten jedoch mit deutlich mehr Zollanmeldungen. Auch sind entsprechende Abgaben zu erheben, welche auch Folgeprozesse im Bereich Erlass/Erstattung, aber auch im Kassenwesen mit sich ziehen werden. Doch der im Gesetzgebungsverfahren anerkannte Mehrbedarf von 1.030 Stellen kommt einfach nicht in der Fläche an. Grund hierfür ist, dass die notwendigen Stellen schlicht durch das BMF bereits im Bundeshauhalt 2021 nicht eingebracht wurden. Durch die politisch Verantwortlichen des BMF wird gegenüber dem BDZ immer wieder betont, dass der Zoll eine hohe Priorität habe. Das Ergebnis der Haushaltsaufstellung gibt jedoch Anlass zur Ernüchterung. Nicht eine Stelle wurde im Bundeshaushalt 2021 für den E-Commerce eingebracht! „Das ist ein Widerspruch in sich! Planstellen, die im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens eindeutig anerkannt wurden, müssen auch in den Bundeshaushalt eingebracht werden. Hier müssen sich die verantwortlichen Akteure im BMF im Interesse der Zöllnerinnen und Zöllner durchsetzen,“ fordert der stellvertretende Bundesvorsitzende und Vorsitzende des Hauptpersonalrates Thomas Liebel. „Der BDZ geht hier abermals ohne Rückhalt des eigenen Ressorts in die Verhandlungen um zusätzliche Stellen für den Zoll bei den zuständigen Berichterstattern des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags“, so Liebel weiter.
Auch ein zunächst geplanter staffelweiser Erhalt von Stellen in den kommenden Jahren fällt wesentlich geringer aus, als ursprünglich gedacht. Nach aktuellen Überlegungen sollen nur 50 Planstellen für den E-Commerce im Bundeshauhalt 2022 eingebracht werden. Der BDZ hatte bereits im ursprünglichen Gesetzgebungsverfahren vorgebracht, dass der errechnete Mehrbedarf sprichwörtlich „einem Tropfen auf den heißen Stein“ entspricht. Umso unverständlicher ist, dass das Personal nun darüber hinaus nicht zeitnah zur Verfügung stehen kann oder zumindest der Mehrbedarf hierfür in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang im Bundeshaushalt nicht anerkannt wird. Die Zollämter benötigen zum 1. Juli 2021 dringend Unterstützung und nicht erst im Jahre 2023 oder noch später. Durch den Brexit sind die Belastungsgrenzen bereits erreicht, wenn nicht sogar überschritten. Hier werden bewusst Belastungen für diejenigen Zöllnerinnen und Zöllner in Kauf genommen, die zur Sicherung der Einnahmenseite des Bundeshaushalts einen wesentlichen Beitrag leisten.
Erforderliche IT-Unterstützung bleibt vorerst aus!
Da das erforderliche IT-Fachverfahren ATLAS-IMPOST voraussichtlich erst im Januar 2022 in Betrieb genommen werden kann, werden die Kolleginnen und Kollegen in der Zollabfertigung unnötigen Zusatzaufgaben ausgesetzt. Prozesse, die elektronisch und teilweise automatisiert hätten abgewickelt werden können, müssen nun bis zur Echtbetriebsaufnahme von ATLAS-IMPOST manuell erledigt werden. Angemerkt sei hier, dass bisher keine Personalvertretung bei der Entwicklung des IT-Fachverfahrens eingebunden wurde. Stattdessen erfolgt ein Ping-Pong-Spiel der Zuständigkeiten zwischen BMF und Generalzolldirektion, um offensichtlich die personalvertretungsrechtliche Mitbestimmung zu umgehen. Denn nicht ohne Grund hält der Gesetzgeber die Einbeziehung der zuständigen Personalvertretung bei der Entwicklung von IT-Fachverfahren für erforderlich – z. B. zur Verhinderung von Leistungs- oder Erfolgskontrolle oder der Sicherstellung der Benutzerfreundlichkeit.
Insgesamt herrscht bei den betroffenen Beschäftigten große Verunsicherung im Hinblick auf den Stichtag zum Wegfall der Mehrwertsteuerfreigrenze sowie insgesamt zu den Auswirkungen des E-Commerce auf die Zollabfertigung. Der BDZ ist an Ihrer Seite und wird die Kritik an den bestehenden Missständen auf allen Ebenen weiterhin vorbringen.