Strategie „Zoll 2030“ im Brennpunkt
BDZ-Bundesleitung im Gespräch mit Präsident Dr. Armin Rolfink
Am Montag, den 16. Dezember 2024, traf die Bundesleitung des BDZ auf den neuen Präsidenten der Generalzolldirektion, Dr. Armin Rolfink, um über die seit Wochen hitzig diskutierte Strategie "Zoll 2030" zu sprechen, die von Ex-Bundesfinanzminister Christian Lindner in seinen letzten Amtstagen verkündet wurde. Für den BDZ ist klar: Das Projekt darf nicht bei den Strukturen enden. Die Reform muss vor allem für das Personal deutliche Verbesserungen bringen.
- V.l.n.r.: Florian Preißner und Christian Beisch (stellv. BDZ-Bundesvorsitzende), BDZ-Bundesvorsitzender Thomas Liebel, GZD-Präsident Dr. Armin Rolfink, Adelheid Tegeler und Peter Link (stellv. BDZ-Bundesvorsitzende)
Das über einstündige Gespräch fand auf Anfrage des BDZ am Sitz der Generalzolldirektion in Bonn statt. Teilnehmende des BDZ waren: Thomas Liebel (Bundesvorsitzender), Christian Beisch (stellv. Bundesvorsitzender), Florian Preißner (stellv. Bundesvorsitzender), Peter Link (stellv. Bundesvorsitzender), Adelheid Tegeler (stellv. Bundesvorsitzende), Felix Schirner (Pressesprecher). Die stellv. BDZ-Bundesvorsitzende Kati Müller war am Termin leider verhindert und entschuldigt. Im Anschluss nutzte der Bundesvorsitzende Thomas Liebel die Gelegenheit für ein ausführliches Interview mit Dr. Rolfink, welches in der kommenden Ausgabe des BDZ magazin exklusiv in voller Länge abgedruckt wird. Heute geben wir einen ersten Einblick in die Gesprächsinhalte und die zentralen Standpunkte des BDZ.
Verschlankung der Strukturen
Die Generalzolldirektion soll „verschlankt“, die Ortsbehörden zugleich gestärkt werden. Präsident Dr. Rolfink führte aus, dass dieser Prozess ohne Vorfestlegungen und ergebnisoffen geführt werden würde. Entscheidend sei, dass man sich kritische Fragen stelle: Können alle aktuellen Aufgaben auch mit weniger Aufwand erledigt werden? Ist alles in dieser Form notwendig oder kann die bürokratische Last reduziert werden? Wo können die Ortsbehörden besser unterstützt werden, indem Freiräume geschaffen werden?
Die Vertreterinnen und Vertreter des BDZ betonten: Alle Beschäftigten müssen sich in der neuen Struktur wiederfinden, ohne Gewinner und Verlierer. Die Sozialstandards der Zollverwaltung müssen uneingeschränkt gelten. Zudem müsse die Einheit der Zollverwaltung gewahrt bleiben. Präsident Dr. Rolfink bekräftigte, dass der Grundgedanke der Reform eine Stärkung des Zolls nach außen vorsehe, wobei die Zusammenlegung von Direktionen den angestrebten Bündelungseffekt bringen solle. Mit Blick auf die Ortsbehörden gebe es in der konkreten Ausgestaltung jedoch verschiedene Modelle, die vor allem aus fachlicher Sicht zu bewerten seien. Er sei gespannt, zu welchen Vorschlägen das Projekt unter Einbindung von Expertise der Ortsebene und der Generalzolldirektion kommen wird.
Zudem kündigte Dr. Rolfink bei der Partizipation der Beschäftigten neue, innovative Methoden an. Die breite Masse solle beteiligt werden, denn die Welt sehe aus der Perspektive von beispielsweise Abfertigungsbeamten/-innen nun einmal ganz anders aus, als im höheren Dienst in der Generalzolldirektion. Einzelheiten würden in der nächsten Zeit bekannt werden.
Klare Forderungen zu Personalentwicklung und Nachwuchsgewinnung
In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Beschäftigten bei der Zollverwaltung eine Vielzahl von Strukturreformen über sich ergehen lassen müssen. Dabei sind häufig dieselben Schlagwörter gefallen – Konzentration, Bündelung, Effizienzrendite. Jedoch sind Effizienzgewinne, die sich durch Strukturmaßnahmen erreichen lassen, an einem gewissen Punkt auch erschöpft.
Der BDZ erwartet deshalb, dass durch die Zoll-Strategie 2030 auch deutliche Akzente im ganz konkreten Interesse des Personals gesetzt werden. Dazu gehören die umgehende flächendeckende Dienstpostenbündelung im mittleren Dienst (A7-A9m+Z), eine Erhöhung der Aufstiegsplätze nach §38 BLV auf 350 pro Jahr sowie die konsequente Nutzung von Instrumenten wie der Bestenförderung nach §27 BLV. Auch die Zuerkennung höherer Laufbahnbefähigungen basierend auf beruflichen Erfahrungswerten muss ermöglicht werden. Ein praxisorientiertes Aufstiegsformat zum höheren Dienst sollte geschaffen werden. Im gehobenen Dienst fordert der BDZ die Einführung des Eingangsamtes A10 und eine Neubewertung der bestehenden Dienstpostenbündel aufgrund der komplexeren Aufgabenentwicklung der vergangenen Jahre.
Die personalwirtschaftlichen Aspekte waren folglich ein Kernthema im Gespräch mit Dr. Rolfink. Denn aus Sicht des BDZ blendet die Zoll-Strategie 2030 die demografische Entwicklung zu sehr aus. Bis zum Jahr 2030 werden jede dritte Zöllnerin und jeder dritte Zöllner in den Ruhestand gehen. Angesichts ebenfalls bereits zugesagter Planstellenaufwüchse werden bis 2030 rund 20.000 neue Beschäftigte zugeführt werden müssen. In einer Zeit des Fachkräftemangels macht das Projekt „Zoll 2030“ dazu wenig konkrete Vorschläge.
Eine konsequente Personalentwicklung beim Zoll und ein klares Bekenntnis zur Förderung der Bestandsbeschäftigten muss die Antwort auf die großen Herausforderungen sein, vor der der Zoll steht. Neueinstellungen, so wichtig diese auch sind, können nicht die alleinige Lösung sein. Beispielhaft dafür stehen zahlreiche Organisationseinheiten des Zolls, insbesondere das Fachsachgebiet B oder die Sachgebiete Prüfungsdienst und Vollstreckung, die in den vergangenen Jahren erhebliche Sparbeiträge erbracht haben. Da Nachwuchskräfte seit geraumer Zeit prioritär in anderweitigen Organisationseinheiten eingesetzt werden, sind in diesen Bereichen massive Altersabgänge zu erwarten. Hierauf braucht es Antworten, etwa um den Wissenstransfer zu gewährleisten.
Angesichts der demografischen Größenordnung läuft auch das derzeitige Auswahlverfahren des Zolls aus gewerkschaftlicher Sicht zu schleppend. Es bedarf einer Beschleunigung und muss modernisiert werden. So könnte der schriftliche Teil digital und dezentral bei den Hauptzollämtern durchgeführt werden, mit einer sofortigen Software-Auswertung. Die mündlichen Teile könnten dann zeitnah folgen. Das Prinzip „Aus der Region - für die Region" muss wieder stärker greifen.
Die Arbeitsbedingungen im Allgemeinen müssen deutlicher attraktiver werden, sei es bei Gestaltung des Arbeitsortes oder Gestaltung der Arbeitszeit, betonten die Vertreterinnen und Vertreter des BDZ. Zudem wiesen sie Präsident Dr. Rolfink darauf hin, dass sehr viele Beschäftigten einen modernen und zum Teil auch kooperativen Führungsstil in ihren Dienststellen vermissen. Dieser müsse aus Sicht des BDZ entschiedener beim Zoll etabliert werden, beispielsweise im Rahmen regelmäßiger Coachings der Führungskräfte auf Basis der Ergebnisse einer „Vorgesetztenbewertung“.
Investitions- und Digitalisierungsoffensive
Mit Blick auf die geplante Verbesserung der Ausstattung steht nach Kenntnis des BDZ seitens des Bundesministeriums der Finanzen die Überlegung einer "Umbuchung" freiwerdender Planstellen in Sachmittel im Raum. An diesem Ansatz übte die BDZ-Bundesleitung deutliche Kritik, den er verharmlose den durch jahrelangen Investitionsstau entstandenen Rückstau. Zudem sei die haushaltsrechtliche Machbarkeit fraglich. Eine Finanzierung der Ausstattung müsse in jedem Fall "on top" zum Personalhaushalt erfolgen, auch mit Blick auf die Notwendigkeit, ein hohes Einstellungsniveau von Nachwuchskräften aufrecht zu erhalten. Besonders beim Zollfahndungsdienst fehle es an zeitgemäßer Spezialausstattung für Ermittlungen, hier müsse dringend etwas geschehen.
Auch ließ die bisherige Transparenz bei der Entwicklung und Erneuerung von IT-Verfahren aus BDZ-Sicht zu wünschen übrig. Gegenüber den Beschäftigten muss frühzeitiger Klarheit geschaffen werden, wann mit welchen IT-Lösungen zu rechnen ist. Zudem sollte das Know-How der Kolleginnen und Kollegen, die täglich mit entsprechenden Verfahren arbeiten, besser genutzt werden und in Überlegungen der Verwaltungsleitung über deren Zukunft einfließen (so z.B. auch bei ATLAS). Die vom BMF angekündigte Digitalisierungsoffensive beim Zoll muss die Beschäftigten von Massenaufgaben entlasten und nicht belasten (Stichworte MOEVE oder Profis 2.0). Dr. Rolfink betonte, dass die digitale Transformation beim Zoll Mut brauche, ein „Mindset“ des Agierens, nicht nur des Reagierens. Der besondere Fokus müsse jedoch auf der Benutzungs- und Anwendungsfreundlichkeit für die Beschäftigten liegen – hier sei einiges zu tun.
Mehr Respekt für Zöllnerinnen und Zöllner im politischen Raum
Der Austausch zur Strategie Zoll 2030 steht auch unter den Vorzeichen der vorgezogenen Bundestagswahl 2025. Hierzu hat der BDZ ein Standpunktepapier veröffentlicht, das hier abgerufen werden kann:
Standpunktepapier des BDZ zur Bundestagswahl 2025
Darin fordert der BDZ unter anderem mehr Respekt für die Zollbeschäftigten und für die gestiegene Bedeutung des Zolls in der bundesdeutschen Sicherheitsarchitektur. Kritisiert wird auch, dass die bisherigen Antworten der Zollverwaltung auf politische Entwicklungen weitestgehend auf der Umpriorisierung der geringen personellen und sachlichen Ressourcen beruhten. Die Mitglieder der BDZ-Bundesleitung kommunizierten Präsident Dr. Rolfink deshalb auch die Erwartung, dass die Generalzolldirektion künftig mutiger gegenüber politischen Entscheidungsträgern auftritt und realistische Mehraufwände bei zusätzlichen Aufgaben einfordert.
„Wo sehen Sie den Zoll bis Ende des Jahrzehnts, Herr Dr. Rolfink?“, lautete die Schlussfrage des BDZ-Bundesvorsitzenden Thomas Liebel. „Ich sehe einen agilen, schlagkräftigen Zoll, einen Eckpfeiler für den Wirtschaftsstandort Deutschland, eine feste Säule in der deutschen Sicherheitsarchitektur und einen Vorreiter in der digitalen Transformation“, erwiderte der GZD-Präsident.
Wir danken Präsident Dr. Armin Rolfink, dass er sich die Zeit für uns genommen hat und freuen uns darauf, die konstruktiv-kritische Zusammenarbeit mit der Generalzolldirektion fortzusetzen. Mit Blick auf das Projekt „Zoll 2030“ gilt: Zusagen müssen eingehalten werden. Wir werden genau hinschauen.