BDZ vor Ort am HZA Dresden
Kochlöffel beschauen gegen Putin?
Die Internationale Frachtstation (IFS) Radefeld am Zollamt Taucha bei Leipzig (HZA Dresden) ist neben Frankfurt, Niederaula und Speyer eines von vier bundesweiten internationalen Postzentren. Radefeld ist schwerpunktmäßig für Sendungen aus dem osteuropäischen und asiatischen Raum zuständig. Seit Beginn der Russland-Sanktionen ist das Zollamt enorm von den Folgen der Embargomaßnahmen betroffen. Eine Gruppe aus dem BDZ-geführten Hauptpersonalrat beim BMF hat sich ein Bild von der Lage vor Ort gemacht: Unter mangelhaften Arbeitsbedingungen setzen die Beschäftigten gewissenhaft Bestimmungen um, deren Sinn teils fragwürdig erscheint.
- Die Beschäftigten der IFS Radefeld mit den Vertreter/-innen des BDZ im überfüllten "Zwischenlager" der Zollstelle.
Am 12.02.2024 begrüßten die Leitung des Zollamtes Taucha, ZAF Schramm, sowie die örtlichen BDZ-Personalräte Sabine Marz (öPR-Vorsitzende) und Elko Altmayer die Hauptpersonalräte des BDZ in den Räumen der Internationalen Frachtstation (IFS) Radefeld in der Nähe von Leipzig. Das Zollamt ist dem Hauptzollamtsbezirk Dresden zugeordnet. Themen des Besuchs von Thomas Liebel (BDZ-Bundesvorsitzender / HPR-Vorsitzender), Hans Eich (HPR-Vorstandsmitglied), Astrid Haase (HPR-Mitglied) waren die Arbeitssituation rund um die Embargo-Sendungen, die Liegenschaft und die Weitergewährung der Polizeizulage für Geschäftsaushilfen. Bei einem Rundgang durch die IFS nutzten die BDZ-Vertreter/-innen die Gelegenheit, um mit den Beschäftigten ins Gespräch zu kommen.
13 EU-Sanktionspakete gegen Russland – auch Postsendungen betroffen
Beginnend im April 2022 traten infolge des 5. Sanktionspaketes der EU gegen Russland die ersten Sanktionsbestimmungen in Kraft, die die Einfuhr von Russland-Sendungen betreffen. Im anschließenden Zeitraum hat die EU weitere Sanktionspakete beschlossen; mit Stand von Februar 2024 beraten die EU-Außenminister bereits das 13. Sanktionspaket, das in Kürze in Kraft treten soll. Nachdem anfangs noch eine hundertprozentige Kontrollquote der eingeführten Russland-Sendungen mit Wiederausfuhr der Embargowaren vorgesehen war, wurde ab Dezember 2022 im Rahmen des 9. Sanktionspaketes die grundsätzliche Einfuhrfähigkeitsprüfungsprüfung durch die Deutsche Post AG ermöglicht. Das heißt, die Deutsche Post führt ein Vorab-Prüfung durch, ob eine eingehende Sendung vom Embargo betroffen ist und nimmt diese in Verwahrung, damit der Zoll diese intensiver prüfen kann. Seit Mai 2023 werden die Embargowaren im Rahmen dieses Verfahrens sichergestellt.
Die IFS Radefeld fertigt sämtliche Postsendungen mit Deutschland als Zielort ab. Aktuell beläuft sich das Volumen auf ca. 2.000 Sendungen pro Monat, die die IFS nur auf dem Landweg erreichen. Davon sind rund 40 Prozent von dem Russland-Embargo betroffen. Unter das Embargo fällt nach Anhang XXI der Sanktionsverordnung auch eine Vielzahl an Gütern, die typischerweise Inhalt von Geschenksendungen sein können, z.B. Papierwaren, Holzwaren, Kunststoffe und chemische Fertigerzeugnisse. Ausnahmen für Sendungen an Privatpersonen bestehen ausdrücklich nicht. Denn laut offizieller Argumentation aus Brüssel würden auch solche Sendungen dem russischen Staat Einnahmen erbringen und dazu beitragen, die Lage in der Ukraine zu destabilisieren.
Geschenksendungen aus Russland legen Zollamt lahm
Zum Vollzug dieser Vorschriften prüft und ggf. beschlagnahmt der Zoll in Radefeld gewissenhaft alle Arten von Haushalts- und Geschenkwaren – von russischer Zahnpasta, über Spielzeug und Kleidung, bis hin zu Kochlöffeln aus Holz. Dass selbst Kochlöffel unter die Sanktionen fallen können, ist wohl nicht nur in der russischen Community unbekannt. Zu Feiertagen, an denen viele solcher Geschenke aus Russland nach Deutschland verschickt werden, stellt dies bis zu 80 Prozent der an der IFS eintreffenden Sendungen dar.
Die einzelnen Abarbeitungsvorgänge sind mit zeitaufwendiger Beschau, und mehrstündigem Dokumentationsaufwand pro Sendung verbunden. Ein langer Rückstand ist entstanden. Aktuell sind die Kolleginnen und Kollegen noch damit beschäftigt, Sendungen mit Eingang im September 2023 abzuarbeiten. Da mehrere hundert embargorelevante Warenpositionen geprüft werden müssen, sind ausführliche Kenntnisse der Eintarifierung erforderlich, um im Einzelfall die Unterscheidung treffen zu können. Eine einstellige Anzahl von Zollbediensteten, denen nur eine Hand voll Unterstützungskräfte zur Seite steht, erledigt diese Aufgaben vor Ort. Nicht nur das Zollamt, sondern auch die Sachgebiete B, F und G des Hauptzollamtes sind über Gebühr von der Bündelung dieser Aufgaben an der IFS Radefeld belastet. Denn die Zuwiderhandlungen gegen das Embargo verursachen im weiteren Verwaltungsverfahren in Form von Rechtsbehelfen, Bußgeld- und Vernichtungsbescheiden weiteren Aufwand. Auch die Zollfahndung muss bei jedem Akt der Sicherstellung verfahrenstechnisch eingebunden werden.
Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage, welcher Sinn hinter den detaillierten Sanktionsvorschriften für alltägliche Gebrauchsgegenstände steckt, die den Zoll lähmen und ihn von anderen wichtigen Kontrollen des Postverkehrs abhalten – seien es Betäubungsmittel, Produktsicherheit oder gefälschte Markenware. Die wertvolle Zeit wird für den Vollzug zweifelhafter Sanktionsbestimmungen aufgebracht. So haben die Kollegen/-innen an der IFS Radefeld schon viel Expertise entwickeln müssen, zum Beispiel bei Pullovern und Decken: Sind diese gestrickt, sind sie erlaubt; sind sie gewirkt, nicht. Ähnlich bei Autoreifen: Neue Reifen sind erlaubt, gebrauchte Reifen nicht.
Eine Verteilung der Embargoprüfungen auf die am Bestimmungsort zuständigen Binnenzollämter wäre eine deutliche Entlastung für die Zollstelle in Radefeld. Die Generalzolldirektion hat dies mit Verweis auf das Transportverbot für dem Embargo unterliegende Sendungen bislang abgelehnt. Ein Großteil der Sendungen, die per Schiff an den niederländischen Häfen erstmals in die EU gelangt sind, wurden jedoch bereits auf dem Landweg an das Zollamt verbracht. Es stellt sich demnach die Frage, weshalb dies im innerdeutschen Verhältnis nicht möglich sein soll.
Arbeitsbedingungen zeigen geringe Wertschätzung für den Zoll
Nach allgemeinen politischen Verlautbarungen ist die außenwirtschaftsrechtliche Sanktionsdurchsetzung eine bedeutsame und sicherheitspolitisch relevante Aufgabe. Dann sollten die politischen Verantwortlichen der behördlichen Umsetzung dieser Aufgabe jedoch auch einen entsprechenden Stellenwert einräumen, der z.B. in angemessenen Arbeitsbedingungen zum Ausdruck kommt. Diese sind für die Beschäftigten des Zolls an der IFS Radefeld nicht gegeben.
Die monotonen Tätigkeiten werden unter einer hohen Lärmbelastung durch den Warenumschlag, die Förderbänder und die nahegelegene Autobahn durchgeführt. Die räumliche Unterbringung ist schlecht, u.a. müssen sich die Kolleg/-innen eine gemeinsame Toilette mit Beschäftigten der Deutschen Post AG teilen. Nicht nur gilt die Dienststelle deshalb als unattraktiv. Auch die Ausbildung von Zollanwärter/-innen vor Ort wird durch die Auswirkungen des Russland-Embargo beeinträchtigt, da kaum andere Arbeitsschritte durchgeführt werden können. Wie in vielen anderen Fachsachgebieten müssen etliche Bearbeitungsvorgänge händisch per Zettelwirtschaft und Führung von Excel-Listen erfolgen, da notwendige Schnittstellen bzw. Funktionen in den IT-Verfahren der Zollabfertigung nicht vorhanden sind. Regelmäßige Beschwerden der Wirtschaftsbeteiligen, die die Sicherstellung ihrer Geschenksendungen nicht nachvollziehen können, kommen hinzu.
Da die IFS Radefeld nicht als Grenzzollamt gilt, erhalten die Beschäftigten die Polizeizulage nicht. Der BDZ wird die Forderung mitnehmen, dass sich dies ändert, denn hier werden letztendlich Aufgaben eines Grenzzollamtes wahrgenommen.
Auch FKS in Leipzig besucht
Dem Besuch beim ZA Taucha folgte am 13.02.2024 ein Besuch beim Sachgebiet E (Finanzkontrolle Schwarzarbeit FKS) in Leipzig. Die Begrüßung und Information erfolgte durch LRD Horak, ORRin Schneider sowie die Arbeitsgebietsleitungen. Wie an vielen Dienststellen sorgt die Einrichtung von regionalen OK-Ermittlungszentren ggf. an den Standorten der Zollfahndungsämtern bei ausgewählten FKSen für Verunsicherung. Auch hier wurde die Intransparenz der GZD in der Vorgehensweise bemängelt.
Darüber hinaus wurden die Auswirkungen der Umsetzung des „Einheitlichen Liegenschaftsmanagements“ (ELM) der GZD besprochen. Es müssen Flächen eingespart werden, obwohl schon jetzt nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten für Personal, Ausrüstung und – man muss es immer wieder betonen – tonnenweise Aktenordner für nicht digitalisierte Ermittlungsverfahren vorhanden sind. Ferner wurde die Zuweisung von Plätzen für ESB-Lehrgänge (Eigensicherung und Bewaffnung) thematisiert, bei der sich ein Rückstau entwickelt hat. Aufgrund begrenzter Lehrgangsplätze sind viele Vollzugsbeamte schlicht nicht einsetzbar, weil die Ausbildung an der Waffe nicht zeitnah stattfinden kann.
Auch die Arbeitssituation in den FKS Arbeitsgebieten 2 und 3 wurde thematisiert. Unter anderem fehlen Dokumentenprüfsysteme im Einsatz. Berichtspflichten sind zu bürokratisch ausgestaltet. Die bekannten Mängel des Systems Profis 2.0 wurden angesprochen. Schon lange fordert der BDZ zudem eine flächendeckende Einführung von Auswertungssoftware für verschlüsselten Daten von mobilen Endgeräten für die digitale Forensik. Diese fehlt auch an der Dienststelle in Leipzig.
Der Dank des BDZ geht an alle Kolleginnen und Kollegen des HZA Dresden für ihren unermüdlichen Einsatz in der Sache. Wir werden die Handlungsbedarfe an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltungsspitze herantragen, um Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen.