Abholzung des Regenwaldes verhindern? Bundestag berät über EU-Handelsabkommen mit Mercosur-Staaten

Eine der Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ist die verstärkte Orientierung der EU nach alternativen Handelspartnern. Mit dem südamerikanischen Handelsblock Mercosur wird schon seit über 20 Jahren ein Assoziierungsabkommen verhandelt. Die geopolitische Zeitenwende mit der Absicht, den ausgefallenen Handelspartner Russland zu ersetzen und auch die Abhängigkeit von China zu reduzieren, hat die ins Stocken geratenen Verhandlungen neu aufleben lassen. Vergangene Woche wurde im Bundestag hitzig darüber debattiert. Auch für den Zoll könnte das neue Aufgaben bedeuten.

26. Juni 2023

Nach langem Stillstand einigten sich im Juni 2019 die EU und die Mercosur-Staaten (Brasilien, Argentinien, Uruguay, Paraguay) in einer gemeinsamen Erklärung auf die wesentlichen Bestandteile für ein ehrgeiziges und umfassendes Handelsabkommen, das für europäische Unternehmen einen Markt mit über 260 Millionen Konsumenten eröffnen und Zölle im Wert von 4 Milliarden € pro Jahr entfallen lassen würde (siehe Webseite der EU-Kommission). In einer klaren Verpflichtung zum regelbasierten internationalen Handel haben sich beide Seiten vom Grundsatz her auf hohe Standards in den Bereichen Produktsicherheit und Umweltschutz geeinigt. Seit den durch den Ukraine-Krieg ausgelösten Umbrüchen in der Wirtschaftspolitik hat die EU neuen politischen Willen gefasst und setzt sich nun für eine schnelle Ratifizierung des Abkommens ein. Am 23. Juni 2023 wurde im Bundestag über verschiedene Anträge der Bundestagsfraktionen zu den Handelsplänen diskutiert, teils mit befürwortender, teils mit ablehnender Haltung.

Nachhaltigkeitsaspekte im Fokus

Die Bundesregierung selbst verweist darauf, dass die finale Positionierung der Mercosur-Staaten noch ausstehe. Deutschland würde sich im Gegensatz zu anderen EU-Staaten bereits für einen zeitnahen Verhandlungsabschluss einsetzen, auch um eine weitere Abholzung des Regenwaldes durch den Handel mit Europa zu verhindern. Befürchtet wird unter anderem, dass der lateinamerikanische Block auseinanderfällt und bilaterale Abkommen mit China schließt, in denen neben anderen Dingen vor allem der Schutz des Regenwaldes keine Rolle mehr spiele. Die Bundesregierung sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die Entstehung einer riesigen neuen Freihandelszone nicht einfach so nebenbei organisiert werden kann, sondern auch neue Aufgaben für den Zoll bedeuten würde. Die praktische Umsetzung der politischen Ziele muss daher von Anfang an mitgedacht werden. 

Wichtig sind vielen Menschen beispielsweise die Bereiche Lebensmittelsicherheit, Tierwohl und Pflanzenschutz. Damit die Einfuhren aus Südamerika den strengen Normen der EU entsprechen, sollen die behördliche Zusammenarbeit intensiviert werden und engmaschige Kontrollen erfolgen. Die konkrete Überwachung dieser Bestimmungen, beispielsweise Kontrolle von Pestizidrückständen oder gentechnisch veränderter Organismen, obliegt allerdings den nationalen Zollverwaltungen. Hier wird klar, welchen Beitrag der Zoll zum Verbraucherschutz leistet. Wie in früheren Abkommen sind ebenfalls durch geografische Ursprungsangaben rechtliche Garantien für den Schutz hochwertiger Erzeugnisse vor Fälschung vorgesehen, was vor allem Imitate europäischer Markenprodukte verhindern soll.

Vordergründig steht das geplante Abkommen seit Langem aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten in der Kritik. Aufgrund des Abbaus bestehender Zollschranken wird ein Anstieg klimaschädlicher Exporte und Produktionsbedingungen, etwa in Bergbau oder Land- und Forstwirtschaft, befürchtet. Nach eigenen Angaben strebt die EU inzwischen keinen Deal mehr an, der Nachhaltigkeitsprinzipien gänzlich ausklammert. So sollen z.B. Importe von illegal gerodetem Holz aus Brasiliens Urwäldern unterbunden werden. Ob dem Abkommen ein Zusatzprotokoll zum Waldschutz beigefügt werden soll, ist deshalb einer der Hauptstreitpunkte.

Abkommen würde Zollaufgaben erweitern

Wie es bereits bei der EU-Entwaldungsverordnung und der EU-Lieferkettensorgfaltsrichtlinie vorgesehen war, sind in jedem Fall die Mitgliedstaaten für die wirksame Durchsetzung zuständig. Das heißt, sie müssen die Einhaltung der Bestimmungen durch die Unternehmen überwachen. Neben spezifischen Kontrollanforderungen und gesonderten Sanktionen müsste auch der reibungslose Informationsaustausch zwischen Zoll und anderen Behörden sichergestellt sein. Außerdem muss die Aussagekraft der von Importeuren vorgelegten Nachweisdokumente zur Lieferkette im Einzelnen beurteilt werden können. Verschieben sich die Handelsketten und wird das Abkommen nach den derzeitigen Planungen abgeschlossen, bedeutet dies für den Zoll in der Abfertigung ein erweiterter Warenkreis und Länderkreis, der in Hinblick auf das Handelsabkommen zu prüfen ist.

Diese Praxisarbeit durch die nationalen Zollverwaltungen ist mit Blick auf die Akzeptanz gegenüber einem solchen Handelsabkommen nicht zu unterschätzen. Denn sollte eine der beiden Vertragsparteien später zu dem Schluss gelangen, dass die andere Seite sich nicht an die Spielregeln hält – diese Bedenken werden bereits heute durch große Teile der europäischen Zivilgesellschaft geäußert – können Dispute in einem völkerrechtlichen Schiedsgremium vorgetragen werden. Und dort, so die Theorie, kommen die detaillierten Feststellungen der Zollbehörden aus dem Bereich der grenzüberschreitenden Warenabfertigung letztlich auf den Tisch. 

Der BDZ wird die politische Debatte um das geplante Handelsabkommen beobachten und weiter berichten. Ob eine Ratifizierung innerhalb der EU im Jahr 2023 erfolgen kann, bleibt angesichts der Skepsis der europäischen Bevölkerung und des heftigen Widerstandes großer Mitgliedstaaten wie Niederlande, Frankreich und Österreich gewiss fraglich. In jedem Fall betonen wir, dass die Sicherung unseres Wohlstandes nicht zum Nulltarif zu haben ist. Das Ausfallen von Russland als Handelspartner in vielen Sektoren hat die Arbeit für den Zoll aufgrund der Durchsetzung von Beschränkungen und Verboten nicht weniger gemacht. Sofern sich die EU nun neue Absatz- und Rohstoffmärkte sucht, hat die Gewährleistung effizienter Lieferketten unter Wahrung hoher ökologischer und sozialer Standards seinen Preis auch in einer modernen und leistungsfähigen Zollverwaltung.  

 
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