Zeitenwende – auch beim Zoll!
Nie waren die Herausforderungen für unsere Zollbeamtinnen und Zollbeamten höher als heute. Es gilt, handelspolitische Umbrüche professionell zu begleiten. Es gilt, Wirtschaftssanktionen in der Praxis umzusetzen. Es gilt, das stetig ansteigende Volumen an Warensendungen z.B. durch E-Commerce abzufertigen. Zugleich wird der klassische Aufgabenbereich des Zolls immer mehr von den Folgen und der Bekämpfung organisierter Kriminalität überschattet.
Am 23. Februar 2025 hat Deutschland eine Richtungsentscheidung für das Land und die Zukunft der Bundesfinanzverwaltung getroffen. Der BDZ hat sich einschlägig positioniert und ein Standpunkte- bzw. Thesenpapier erarbeitet, das die inhaltlichen Grundpfeiler für die 21. Wahlperiode des Deutschen Bundestages legt: Standpunkte des BDZ zur Bundestagswahl 2025
Darin unterstreichen wir die Notwendigkeit, die Einheit der Zollverwaltung zu bewahren und Doppelstrukturen zu vermeiden. Gleichzeitig gefordert wird eine bessere finanzielle Ausstattung, insbesondere durch eine „Sicherheitsmilliarde“ für Führungs- und Einsatzmittel. Ein Schwerpunkt liegt auf der Digitalisierung, um den Zoll in der Abwicklung und Risikoanalyse zu entlasten. Auch hier verweist der BDZ auf die Bedeutung flexibler Laufbahnregelungen und höherwertiger Planstellen. Zudem werden erweiterte Befugnisse und Kompetenzen gefordert, insbesondere für die Strafverfolgungsbehörden.
Wie stehen die politischen Parteien zum Zoll und zum öffentlichen Dienst? Wir haben die Programme analysiert. Hier geht’s zum Artikel: Bundestagswahl 2025 – Die Positionen der Parteien im Überblick
Für den BDZ ist klar: Die Übertragung neuer Aufgaben durch den Gesetzgeber erfordert zwangsläufig auch eine angemessene Bereitstellung von Personal und Ressourcen für deren Durchsetzung. In den vergangenen fünfzehn Jahren wurden die Aufgaben der Zollverwaltung jedoch immer weiter ausgedehnt, ohne dass dies entsprechend kompensiert wurde. Zugleich besteht in vielen Bereichen eine hohe Erwartungshaltung auf Seiten der Politik, der Wirtschaft und der Bevölkerung. Der BDZ wirft im Folgenden ein Schlaglicht auf Handlungsfelder, in denen wesentlicher Reformbedarf besteht.
Zollämter und Abfertigungsstellen ertüchtigen
Das Abfertigungsvolumen im grenzüberschreitenden Warenverkehr ist massiv und exponentiell gestiegen. Mehraufwand entsteht den Zöllnerinnen und Zöllner insbesondere infolge des Mehrwertsteuer-Digitalpakets, der Folgen des Brexit und einem generell gestiegenen Post- und Paketversand aufgrund des Online-Handels (E-Commerce). Die aktuelle Kontrolldichte im Kampf gegen Produktpiraterie, für Verbraucherschutz, Artenschutz etc. ist angesichts der Größenordnungen des Warenumschlags und der berechtigten Erwartungen der Wirtschaft und Bevölkerung nicht mehr ausreichend. Der BDZ weist in diesem Zusammenhang auch auf die Bedeutung der Binnenzollämter hin.
Die zoll- und steuerrechtlichen Bestimmungen, die infolge von Rechtsakten der Europäischen Union angewendet werden müssen, fordern die Kolleginnen und Kollegen in der Warenabfertigung, der Steuererhebung und dem Prüfungsdienst immer mehr heraus. Insbesonder der Verbrauchsteuerbereich ist durch eine zunehmende Komplexität geprägt. Zudem sorgt die Neuausrichtung der EU-Handelspolitik zu einem immer stärkeren Ruf nach engeren Zollkontrollen zur Einhaltung von EU-Vorgaben auf dem Gebiet der Verbote und Beschränkungen (z.B. Sanktionen, Embargos) oder der Überwachung von Lieferketten unter Aspekten der Nachhaltigkeit. Ein wirksamer Vollzug der einschlägigen Vorschriften setzt jedoch zum einen ausreichend Personal, zum anderen die Anwendung moderner IT-Fachverfahren voraus. Beides ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
Zollfahndungsdienst und FKS schlagkräftiger machen
Wir fordern eine Erhöhung der Stellen für den Zollfahndungsdienst auf eine Größe von 6.000 Arbeitskräften. Denn dem Zollfahndungsdienst (ZFD) wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl neuer Aufgaben übertragen. Beispiele sind die Erweiterung der rechtlichen Möglichkeiten zur Vermögensabschöpfung seit 2017 oder die Erweiterung von Befugnissen (z.B. TKÜ-Überwachung) durch die Novellierung des Zollfahndungsdienstgesetzes 2021. Zudem gestalten sich Ermittlungen aufgrund technischer Entwicklungen (z.B. digitale Forensik, DarkNet) aufwendiger und zeitintensiver. Dies macht eine umfassende Modernisierung und Aufrüstung der IT- und kriminaltechnischen Ausstattung des Zollfahndungsdienstes erforderlich.
Angesichts dramatisch steigender Rauschgiftkriminalität und immer gewalttätigerem Vorgehen organisierter Tätergruppen sind die Herausforderungen zudem größer als je zuvor. In der Praxis muss sich die Zollfahndung aber häufig mit Kleinverfahren beschäftigen, so dass für größere und komplexere Ermittlungen zu geringe Kapazitäten bestehen. Hiervon muss sie deutlich entlastet werden.
Politischer und medialer Fokus liegt darüber hinaus seit ihrer Gründung auf der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, was vor allem auf die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohn zurückzuführen ist. Jedoch wird zu wenig beachtet, dass organisierte Formen der Schwarzarbeit immer mehr um sich greifen. Der bisherige Stellenaufwuchs bei der FKS ist hierauf keine adäquate Antwort, da dieser eine rein quantitative Betrachtung darstellt. Eine qualitative Aufwertung von Personal und Arbeitsweise der FKS (digitale Ermittlungen, erweiterte Befugnisse, effektive Vermögensabschöpfung) ist nötig, um eine wirkungsvolle Antwort auf die Probleme illegaler Beschäftigung, ausbeuterischer Arbeitsverhältnisse und Sozialleistungsbetrug zu geben.
Mobile Kontrolleinheiten flächendeckend stärken
Die Kontrolleinheiten Verkehrswege (KEV) und Kontrolleinheiten Grenznaher Raum (KEG) der Sachgebiete C der Zollverwaltung sind gewissermaßen an vorderster Front unterwegs, wenn es um die Bekämpfung jeglicher Form von Schmuggelkriminalität geht. Diese zeigt vor allem im Bereich Tabakwaren und Rauschgift einen klaren Trend nach oben. Die Kokainschwemme an den Seehäfen und die ausufernde Clan-Kriminalität bei der illegalen Herstellung von Shisha-Tabak sind nur zwei Beispiele, die den Personalmehrbedarf für intensivere Kontrolltätigkeiten unterstreichen. Auch infolge der Einführung der mobilen Großröntgentechnik ist ein zusätzlicher Personalbedarf für die Sachgebiete C entstanden.
Zudem erfordern diese Aufgaben auch eine Anpassung der materiellen Aussstattung, zum Beispiel von Schutzausrüstung. Auch das Zollhundewesen sollte gestärkt werden. Der Zollhund hat sich als Führungs- und Einsatzmittel bewährt und ist beispielsweise im Umgang mit Fällen der Clan-Kriminalität eine echte Unterstützung. Der Rückgang des Bestandes an Zollhunden und eine zu dünne Personaldecke von Zollhundeführer/innen ist in Zeiten gestiegener Aufgriffe von Betäubungsmitteln die falsche Entwicklung.
Die von der Generallzolldirektion verfolgte Strategie zur Umverteilung von Dienstposten in „Brennpunkte“ innerhalb des Bundesgebietes greift aus unserer Sicht zu kurz. Sie läuft auf eine Verwaltung des Mangels hinaus, da Schmuggler ihre Einfallsrouten schnell wieder in dünner kontrollierte Regionen verlagern. Der BDZ fordert deshalb eine flächendeckende, gleichmäßige und nachhaltige Stärkung der Kontrolleinheiten.
Geldwäschebekämpfung und Sanktionsdurchsetzung durch den Zoll
Der Zoll ist integraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland geworden und wirkt mit Abstand an den meisten Verfahren zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität (OK) auf Bundesebene mit – noch deutlich vor dem BKA. Zudem ist der Zoll für die hiesige Durchsetzung der von der EU verhängten Sanktionen gegen Personen oder Unternehmen, die mit verbrecherischen Regimen zusammenarbeiten, zuständig.
Eine im Mai 2023 von Bundesfinanzminister Christian Lindner verkündete neue Strategie zur Bekämpfung von OK und Geldwäsche durch den Zoll sah ein vernetzteres Vorgehen aller mit Finanzermittlungen beschäftigten Einheiten des Zolls vor. Diese Strategie wird bis heute laufend weiterentwickelt. Zudem sollte ab 2024 eine neue Bundesoberbehörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität (BBF) im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen errichtet werden. In die BBF sollten die derzeit bei der Generalzolldirektion angesiedelten Direktionen X, Financial Intelligence Unit (FIU), und XI, Zentralstelle für Sanktionsdurchsetzung (ZfS), überführt werden. Das Projekt BBF ist jedoch mit dem Ende der Ampel-Koalition nicht mehr fortgeführt worden.
Aus Sicht des BDZ ist es nicht hinnehmbar, dass Deutschland bis heute keine klare und verlässliche Behördenstruktur zur Geldwäschebekämpfung und Sanktionsdurchsetzung besitzt – und das in einem Land, das international seit Jahren als Geldwäscheparadies gilt. Statt funktionierende Strukturen zu stärken, erleben wir ein politisches Hin und Her aus Ankündigungen, Rückzügen und unausgereiften Reformversuchen. Genau diese handwerklichen Mängel haben wir als BDZ immer wieder kritisiert: fehlende Rechtsgrundlagen, unklare Befugnisse, neue Doppelstrukturen und Datensilos, während unsere Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig mit veralteten Systemen gegen hochprofessionelle Tätergruppen arbeiten müssen. Dass selbst nach Jahren intensiver Debatte nicht feststeht, wie Geldwäschebekämpfung, Sanktionen und Vermögensabschöpfung nachhaltig organisiert werden sollen, ist ein sicherheitspolitisches Risiko.
Dort wo ein Bündelung oder Verschiebung von Kompetenzen sachgerecht ist, unterstützt der BDZ entsprechende Vorhaben. Reformkonzepte dürfen aber nicht zu einer Schwächung der Zollverwaltung führen – beispielsweise durch unnötige Bürokratie und lähmende Doppelstrukturen. Aus diesem Grund lehnen wir das Konzept einer sog. Finanzpolizei / Zollpolizei und ähnlicher Ansätze, die Zollverwaltung strukturell aufzuspalten, entschieden ab. Die effektive Bekämpfung von Finanzkriminalität kann nur ganzheitlich im Zusammenspiel von Finanz- und Sicherheitsverwaltung erfolgen: Denn wer des legale Geschäft nicht kennt, kann die illegalen Machenschaften nicht bekämpfen.