Runder Tisch: BDZ fordert „konzertiertes Vorgehen“ gegen Crystal

Bei dem vom BDZ initiierten Runden Tisch zur „Bekämpfung der grenzüberschreitenden Drogenkriminalität“ am 16. Juli 2015 im sächsischen Weißwasser haben Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Zoll, Justiz, Kommunen und Gewerkschaft ein „konzertiertes Vorgehen“ gegen die Ausbreitung der von Crystal gefordert. Vor dem Hintergrund der bedrohlichen Ausbreitung der Modedroge wurde unter Moderation des stellvertretenden BDZ-Bundesvorsitzenden Thomas Liebel über Handlungsstrategien im Kampf gegen den zunehmenden Drogenschmuggel diskutiert. In Weißwasser wurde deutlich, dass es sich an der Grenze von Deutschland, Polen und Tschechien auch um eine Dreiländerproblematik handelt.

16. Juli 2015

Die Ausbreitung von Crystal stellt kein ausschließliches Grenzphänomen dar. Die Horrordroge ist bundesweit auf dem Vormarsch, wie auch der Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2014 ausweist. Festzustellen ist ein geändertes Täterverhalten und eine Etablierung mafiöser Täterstrukturen in Großstädten und Ballungsräumen. Experten schätzen, dass etwa zehn Tonnen Crystal illegal in tschechischen Laboren produziert werden, wovon die Hälfte für den Export nach Deutschland bestimmt ist. Dabei ist Crystal einfach herzustellen. Ein Großteil der Grundstoffe wird auch über die Balkan-Route angeliefert. Polen liefert einen Teil dieser Grundstoffe, Tschechien produziert und Deutschland konsumiert – eine Dreiländerproblematik.

Nach Grußworten des Oberbürgermeisters der Stadt Weißwasser, Torsten Pötzsch, und des Vertreters des Landkreises Görlitz, Matthias Reuter, tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über dieses an Brisanz zunehmende Thema aus, darunter der Leitende Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Görlitz, Martin Uebele, die Abgeordneten des Sächsischen Landtags Lothar Bienst (CDU), Thomas Baum (SPD), Franziska Schubert (Bündnis 90/Die Grünen) und Kathrin Kagelmann (DIE LINKE), der Vorsteher des Hauptzollamts Dresden, Franz Horak sowie Vertreterinnen und Vertreter des BDZ-Bezirksverbands Sachsen. Fachliche Vorträge hielten Ulrich Mediger (Zollkriminalamt), Volker Huchel (Zollfahndungsamt Dresden) und Michael Zimmer (Kontrolleinheit Verkehrswege). 

Torsten Pötzsch beklagte, dass die Crystal-Problematik, die in der Stadt Weißwasser und in der Region ein „Riesenthema“ sei, vielfach totgeschwiegen werde und nicht genügend Aufmerksamkeit in Medien und Politik erfahre. Matthias Reuter bestätigte, dass der Landkreis Görlitz in einer bisher nicht da gewesenen Größenordnung von Crystal überschwemmt werde. Alarmierend sei die enorme Zunahme der Beschaffungskriminalität, wie z. B. Einbrüche und Diebstähle von Drogenabhängigen. Mit seinem Zehn-Punkte-Plan habe der Freistaat Sachsen den Schwerpunkt auf Prävention, Beratung und Repression gelegt, personelle Maßnahmen ergriffen und eine breit angelegte Aufklärungskampagne gestartet. 

In einem Impulsreferat schildert der Leitende Arzt des Klinikums Görlitz, Dr.  Mark Frank, Beispiele für die Auswirkungen des Crystal-Konsums. Die Droge sei leistungssteigernd und euphorisierend, mache unmittelbar abhängig und wirke zerstörerisch. Erschreckend sei die zunehmende Zahl der Patienten in den Notaufnahmen der Kliniken. Aufgrund des extrem hohen Suchtpotenzials reiche ein einziger Fehler, um das Leben zu zerstören. 

Aus Sicht von Lothar Bienst (CDU) steigt der prozentuale Anteil an Jugendlichen mit einem Einstieg in eine „Drogenkarriere“ enorm. Er erläuterte aus bildungspolitischer Sicht, wie auch im Freistaat Sachsen nachhaltige Prävention betrieben werden könne. Bisher lägen keine zuverlässigen Zahlen vor, was jedoch Voraussetzung für eine solide Planung sei. 

Thomas Baum (SPD) sieht noch kein ausreichendes Aufklärungsniveau erreicht und berichtet über Abhängigkeitsgefahren an Schulen. Eindringlich warnte er vor einer Verharmlosung der Drogenproblematik. Über die Crystal-Problematik hinaus sollte auch der Einfluss legaler Drogen nicht unterschätzt werden. Er sehe kaum Möglichkeiten, rechtzeitig in den Kreislauf einzugreifen und an die Vernunft zu appellieren. 

Für Franziska Schubert (Bündnis 90/Die Grünen) liegt bei diesem Thema durchaus eine Grenzspezifik vor. In der öffentlichen Wahrnehmung im Straßenbild sei von „Crystal-Zombies“ die Rede. Die Hilflosigkeit bei Politik, Schulen und Eltern sei groß. Das Gefahrenbewusstsein werde nicht ausreichend vermittelt. Wie niedrig die Schwelle in der Grenzregion sei, machten die dort üblichen Preise von nur 15 Euro pro Gramm deutlich, während diese bundesweit bei 79 Euro pro Gramm liege. Es bestünden jederzeit und überall Zugangsmöglichkeiten. Umschlagsplätze seien fußläufig erreichbar. Es handele sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, bei dem  auch die Politik ganz am Anfang stehe. 

Kathrin Kagelmann (DIE LINKE.) forderte, die Strukturen bei der Betreuung von Opfern des Crystal-Konsums zu verbessern, die auf ein ausgebautes Netz von Beratungsstellen und medizinischer Versorgung zurückgreifen müssten. Es bestehe eine hohe Dunkelziffer, weil der Konsum lange unbemerkt bleibe. Zu befürchten sei, dass sich die Probleme potenzieren und Crystal in Zukunft auch verstärkt in Deutschland hergestellt werde und die Vertriebswege immer kürzer würden. Das immer schnelllebigere Drogenbild verunsichere auch Eltern und erfordere eine umfassende Aufklärung.

Konsens bestand unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass zur Steigerung der Kontrolldichte – im Rahmen eines risikoorientierten Kontrollansatzes – eine Erhöhung des Personaleinsatzes erforderlich ist. Das muss aufgrund der körperlichen Belastungen des unregelmäßigen Schichtdienstes sowie der erhöhten Altersstruktur der Kontrolleinheiten an der Grenze zu den osteuropäischen Staaten durch den Einsatz junger Nachwuchskräfte erfolgen – aus der Region. Es bedarf zudem mehr weiblicher Bediensteter in den Kontrolleinheiten Verkehrswege. Bereits jetzt sei stellenweise keine 24h-Besetzung der Kontrolleinheiten möglich. Maßstab müsse sein, das Personal nicht aus dem eigenen Bestand der Arbeitsbereiche zu Lasten anderer Aufgaben erwirtschaftet wird.

Der BDZ präsentierte dem Runden Tisch in Weißwasser eine Reihe zentraler Forderungen im Kampf gegen den Schmuggel mit Crystal: 

Thomas Liebel stellte in einem Resümee fest, dass der Dialog fortgesetzt werden müsse. Wenn die Politik nicht zum Zoll komme und den Forderungen Rechnung trage, müsse der Zoll auf die Politik zugehen, wozu der BDZ mit seiner Veranstaltungsreihe einen auch in den Medien vielbeachteten Beitrag leiste. An den Runden Tisch schloss sich eine Pressekonferenz mit breiter Beteiligung der Medien aus der Region an.


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