Warum hast du dich für den BDZ entschieden?
Anja Bauknecht: Nach meiner Ausbildung wurde ich an das HZA Konstanz versetzt. Der damalige Personalratsvorsitzende und gleichzeitig Vorsitzender des Ortsverbandes nahm sich viel Zeit, um in Gesprächen aufzuzeigen, worin die zahlreichen Vorteile für mich als Beamtin beim BDZ liegen. Er überzeugte mich damals und ich trat ein.
Am 31. März 2019 wurdest du NEU als Stellvertretende Vorsitzende des Ständigen Ausschusses Frauen gewählt. Was hat dich bewogen, zu kandidieren?
Anja Bauknecht: Ich kann nicht nur meckern, sondern wenn ich eine Veränderung will, muss ich mich aktiv einbringen. Wenn ich Frauen in Führungsrollen sehen möchte, muss ich bei mir im Kleinen anfangen. Was ich von anderen fordere, muss ich vorleben. Ich will meinen Teil dazu beitragen und deshalb habe ich mich zur Wahl aufstellen lassen.
Weshalb engagierst du dich für Frauenangelegenheiten im BDZ?
Anja Bauknecht: Geschlechterstereotyp eines Frauenbildes!
Wie muss ich das verstehen?
Anja Bauknecht: Vor über 30 Jahren war es revolutionär, dass in meiner Stufe die Auszubildenden für den mittleren Grenzzolldienst paritätisch eingestellt wurden. Natürlich brachte es damals einige Schwierigkeiten mit sich. Worüber man heute nur den Kopf schütteln kann, war damals für das Stammpersonal und die Dienststellen eine große Herausforderung. Wir als Auszubildende sowie das Stammpersonal mussten uns erst an die „NEUEN“ Gepflogenheiten gewöhnen. Einige meinten, wir würden die letzte „Männerdomäne“ beim Zoll stürzen und behandelten uns auch dementsprechend. Mein damaliger OV Vorsitzender erkannte sehr schnell das Innovationspotential der Frauen. Es wurde der „Frauenstammtisch“ ins Leben gerufen: gleichgesinnte Kolleginnen tauschten sich ungezwungen aus und thematisierten ihren Berufsalltag.
Damals engagierte ich mich für FRAUEN und das ist mir bis heute geblieben!
Derzeit bin ich im OV Zollfahndung stellvertretende Vorsitzende und im Bezirksverband Südbayern Sprecherin der AG Frauenfragen.
Wir FRAUEN sind keine Gegner, wir sind Teil der Gesellschaft. Selbst 2019 ist das noch nicht überall angekommen.
„Rechte werden erkämpft und nicht geschenkt“ las ich auf einem Transparent zum 100. Internationalen Frauentag in München! Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gingen Frauen für ihre Rechte auf die Straße und haben einiges erreicht. Die Frauenbewegung kann auf beachtliche Erfolge zurückblicken. Geschenkt wurde den Frauen aber nichts. … und das Ziel ist noch nicht erreicht!
Mir war eine eigenverantwortliche und freie Entscheidungsmöglichkeit immer wichtig. Deshalb bin ich im Nachhinein den Müttern des Grundgesetzes und ihren Gleichgesinnten, für die Kämpfe die sie ausgetragen haben, sehr verbunden. Sie haben mir meine Freiheit als Frau ermöglichen. Jede Frau entscheidet nach deutschem Recht für sich selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Möchte sie dies nicht, kann sie sich auch für einen „traditionellen Weg“ entscheiden.
Mir war nie der Zugang zu Bildung oder der ökonomischen Unabhängigkeit verwehrt. Seit meinem 18. Lebensjahr hatte ich das gleiche Wahl- und Stimmrecht wie Männer.
Meiner Generation wurde ein Weg geebnet, der es ihnen ermöglicht, ohne das Einverständnis ihres Vaters oder Ehemannes arbeiten zu gehen, das eingebrachte Vermögen selbst zu verwalten und selbstbestimmt zu leben.
Meine Oma, die 1911 geboren wurde, hat zu ihren Töchtern immer gesagt: „Schaut, dass eure Mädels einen gescheiten Beruf erlernen! Bildung und einen guten Beruf zu erlernen ist das Wichtigste in der heutigen Zeit“. Hierfür bin ich ihr heute noch sehr dankbar.
Ich stehe für die gleiche Teilhabe bei gleicher Leistung! Bei Frauenquoten wird die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, Gewerkschaft sowie Politik angestrebt – es ist eine Brücke um verkrustete vorherrschende Meinungen und Strukturen aufzubrechen. Frauen wollen nicht nur eine Zierde der Veranstaltung sein, sie wollen auch zeigen, was tatsächlich in ihnen steckt.
In der Vergangenheit - aber auch jetzt noch - war es immer eine kontinuierliche Minderzahl von Frauen, die sich sichtbar und unverdrossen für die Gleichberechtigung eingesetzt hat und am Ende Fundamentales für „die Hälfte der Menschheit“ herausholen konnte.
Durchaus streitbare Frauen ihrer Zeit haben mir und anderen Frauen einen Weg eröffnet, der manchen Müttern von uns noch nicht bereitet war. Um die Arbeit dieser mutigen Pionierinnen sichtbar zu machen und immer wieder in Erinnerung zu rufen, sind Diskussionen über Defizite der Gegenwart notwendig und noch einiges mehr zu leisten. Dies möchte ich bewahren und an heutige Bedürfnisse anpassen.
Ganz nach einem Zitat aus China: „Fürchte dich nicht vor dem langsamen Vorwärtsgehen, fürchte dich nur vor dem Stehenbleiben.“
Wie bringst du deine Tätigkeit für den BDZ in deinem Leben unter?
Anja Bauknecht: Als Ermittlungsbeamtin beim ZFA München erwarb ich in den vergangenen 26 Jahren umfangreiche Fachkenntnisse in den Sachgebieten Marktordnung, Rauschgift, Vermögensabschöpfung und aktuell bei der organisierten Kriminalität. Viele Jahre wurde ich als nebenamtliche Einsatztrainerin für den Bereich Schießen eingesetzt. Die aufgaben-, anlass- und bedarfsorientierte Tätigkeit verlangt ein hohes Maß an Flexibilität und Engagement. Großes Glück habe ich, dass mein Lebensgefährte selbst im öffentlichen Dienst beschäftigt ist und mich in jeder Hinsicht unterstützt. Dies ist nicht selbstverständlich, aber sehr wichtig für mich. Neben meinem Privatleben, der Arbeit und dem ständigen Blick auf meinen Terminkalender integriere ich die gewerkschaftliche Arbeit bisher sehr gut in meinen Alltag. Bei Sitzungen und anderen Veranstaltungen treffe ich gleichgesinnte Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich mich gerne austausche und treffe.
Was wünschst du dir für die gewerkschaftliche Zukunft?
Anja Bauknecht: Frauensolidarität und weiterhin einen starken BDZ!
Gewerkschaftsarbeit scheint geschlechtsneutral zu sein. Ich wünsche mir mehr Frauen, die in politisch einflussreichen Positionen sind.
Am Gewerkschaftstag zeigten die Delegierten wie zeitgemäß sie sind. In zwei von vier Ständigen Fachausschüssen überzeugten Sabine Knoth und Diana Beisch (beide vom Bezirksverband Nord) fachlich und wurden als Vorsitzende gewählt. Beiden meinen Respekt und herzlichen Glückwunsch! Danke an alle Frauen, welche sich für die Position einer stellvertretenden Bundesvorsitzenden und für die Wahl der Ausschussvorsitzenden aufstellen ließen und ebenfalls herzlichen Glückwunsch an alle gewählten Funktionsträgerinnen und Funktionsträger.
Wünschen würde ich mir, dass sich viele Gewerkschafterinnen für die Unterstützung der Ständigen Ausschüsse und Fachausschüsse gemeldet haben, um sich mit ihren Erfahrungen und Fachwissen einzubringen.
Mein Ziel ist es, den BDZ für Frauen jeden Alters attraktiv zu machen und für die Gewerkschaftsarbeit zu gewinnen. Die Bedürfnisse verschiedener Lebensphasen aus Frauensicht könnte eine Bereicherung in der Beurteilung und Entscheidung verschiedener gewerkschaftlicher Tätigkeit sein.
FRAUEN, traut euch! Bringt euch nicht nur als Repräsentantinnen für Frauen, Jugend oder Soziales ein. Nehmt die Chance wahr, die der BDZ ermöglicht - engagiert euch in euren Verbänden, arbeitet in Ausschüssen mit – macht sichtbar, was in euch steckt.
Das Interview wurde von der Vorsitzenden des Ständigen Ausschusses Frauen im BDZ Gabriela Raddatz geführt.