Dieter Dewes im Interview zu Mindestlohn-Kontrollen

In einem am 3. Juli 2015 in der „Stuttgarter Zeitung“ erschienenen Interview hat BDZ-Bundesvorsitzender Dieter Dewes die positiven Auswirkungen des zum 1. Januar 2015 flächendeckend eingeführten gesetzlichen Mindestlohns unterstrichen. Auf die Bewaffnung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) angesprochen, warnt er vor einer Scheindiskussion und tritt vehement dem Eindruck entgegen, der Zoll wirke zu martialisch. An den bewaffneten Polizisten habe man sich gewöhnt, an den bewaffneten Zöllner noch nicht, so Dewes. Zunehmende Angriffe auf Beschäftigten des öffentlichen Dienstes machten vor dem Zoll nicht Halt. Mit Blick auf das zusätzliche Personal für die FKS betonte Dewes, der Zuwachs komme viel zu spät, um den Anspruch der vollen Aufgabenbandbreite rechtzeitig einzulösen.

06. Juli 2015

Stuttgarter Zeitung (SZ): „Herr Dewes, muss man Mindestlohn-Kontrollen beim Bäcker, Friseur oder Kebab-Stand mit voller Bewaffnung durchführen?“

Dewes: „Wir haben eine Dienstvorschrift, die besagt, dass der Kontrolleur auf Eigensicherung zu achten hat und entsprechend ausgestattet sein muss – mit Schusswaffe, Reizstoffsprühgerät oder auch dem Schlagstock. Zudem prüfen wir weiterhin die Schwarzarbeit und können es uns personell nicht erlauben zu sagen: Heute gehen wir nur zu den Friseuren, da passiert uns nichts.  Wir können allenfalls in Zivil auftreten, dann tragen die Kollegen die Schusswaffe unter der Jacke. Das wird auch gemacht.“

SZ: „Was sagt denn die Erfahrung: Sind die Kontrollen tatsächlich gefährlich?“

Dewes: Die zunehmenden Angriffe auf Beschäftigte des öffentlichen Dienstes finden nicht nur auf Polizisten statt. Was würden denn die Medien berichten, wenn zwei unbewaffnete Zöllner angegriffen würden? Vielfach üben die Kritik, die an anderer Stelle für mehr Wachsamkeit plädieren. Die Bauwirtschaft weiß die seit Jahren auf dem Bau üblichen Mindestlohn-Kontrollen längst zu schätzen. Die vielen Betriebe, die jetzt neu kontrolliert werden, stören sich auch weniger am Auftreten als an den Aufzeichnungspflichten.

SZ: „Sehen Sie kein Problem darin, dass für die Kunden eines kontrollierten Betriebs ein falscher Eindruck entstehen könnte?“

Dewes: „Es ist eine Scheindiskussion. Bei nahezu 7000 Beschäftigten kann es schon passiert sein, dass ein Team bei einem Bäcker oder Blumenhändler für die Betreffenden zu martialisch aufgetreten ist. Aber das ist nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. An den bewaffneten Polizisten hat man sich gewöhnt, an den bewaffneten Zöllner noch nicht.“

SZ: „Vom CDU-Mittelstand kam der Vorschlag, neue Dienstpläne mit waffen- und uniformfreien Tagen einzuführen?“

Dewes: „Wer kontrolliert vorher, dass dort kein Konfliktpotenzial besteht? Die Herren wissen manchmal nicht, wovon sie reden. In der CDU finde ich so viel Zustimmung zu den Kontrollen. So sind es nur Einzelne, die sich beratungsresistent zeigen, weil sie die Rolle der abhanden gekommenen FDP spielen wollen. Es ist eigentlich ungehörig, erst dem Gesetz zuzustimmen und nachträglich aus der Deckung zu kommen.“

SZ: „Sind wegen des Protestes der CDU-Mittelstandsvereinigung schon Anordnungen ergangen, martialische Auftritte zu vermeiden?“

Dewes: „Wir halten uns nicht besonders zurück. Die Vorschriften sind schon extrem moderat: Die Zollbeamten sollen befragen, ohne dass der Betrieb aufgehalten wird und ohne dass dies besonders auffällt. Die Leute gehen mit Fingerspitzengefühl ran und  tragen schon viel zur Deeskalation bei. In den ersten Monaten hat man zum Beispiel fast nur Aufklärungsarbeit geleistet, statt gleich Bußverfahren einzuleiten.  Eigentlich haben nur die Betriebe Probleme, die ihre Papiere nicht sauber aufbereitet haben.“

SZ: „Reichen die von Bundesfinanzminister Schäuble zugesagten 1600 neuen Kräfte zur Mindestlohnkontrolle aus?“

Dewes: „Wir haben bisher nicht einen Mann mehr als vorher. Wir beginnen am 1. August mit der Laufbahnausbildung für die 1600 Planstellen. Der erste Kollege aus dem mittleren Dienst kommt also in zwei Jahren, der erste aus dem gehobenen Dienst in drei Jahren. Für den Anspruch, sofort die volle Aufgabenbandbreite auszufüllen, kommt der Zuwachs viel zu spät. Jetzt steuert man um und schickt jährlich 320 statt bisher 160 Nachwuchskräfte der Zollverwaltung zur Finanzkontrolle Schwarzarbeit – also 50 Prozent mehr als normalerweise. Dieses Spiel machen wir so viele Jahre lang, bis die 1600 neuen Leute da sind. Erst in knapp fünf Jahren hat man das benötigte Kontrollpersonal komplett.“

SZ: „Das reicht dann aus?“

Dewes: „Unser Schwergewicht liegt noch immer bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, denn die darf definitiv nicht vernachlässigt werden. Ein Nebenaspekt ist der Mindestlohn. Da ist die Kontrolldichte sehr gering.“

SZ: „Stichwort Bürokratie-Monster: Wie groß ist der Dokumentationsaufwand aus Ihrer Sicht? Die Aufzeichnungspflichten werden laut Arbeitsministerin Nahles  jetzt schon wieder gelockert – kommen die Zollbeamten da noch hinterher?“

Dewes: „Der Bundestag hat das Gesetz ratzfatz verabschiedet hat, ohne zu schauen, wie das Personal all das leisten soll. Es ist ein Irrsinn, ein Gesetz mit solch heißer Nadel zu stricken. Man überfordert eine Verwaltung, wenn man ihr so ein Projekt vor die Füße legt. Die Einen fordern nun mehr Kontrollen, die Anderen weniger – diesen Spagat müssen die Beschäftigten erst mal nachvollziehen. Da hätte man intensivere Vorarbeiten betreiben sollen.“

SZ: „Wie wirkt der Mindestlohn in Ihren Augen?“

Dewes: „Er wirkt so was von positiv. In vielen Gewerken wird der Mindestlohn gezahlt. Und er hat  dazu geführt, dass viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse dazu gekommen sind. Hier ist eine neue Ehrlichkeit entstanden, viele Arbeitgeber haben umgesteuert. Früher haben wir Stundenlöhne von bis zu 1,67 Euro festgestellt, wenn man es genau gerechnet hat. Nun wächst die Wertschätzung für Arbeit. Diejenigen, die es noch nie ernst genommen haben oder im großen Stil betrügen, gilt es aufzudecken. Wen es tatsächlich hart getroffen hat, ist das Taxigewerbe – nur von dem dort gezahlten Lohn konnte man tatsächlich nicht leben.“

Kommentieren Sie diesen Artikel im BDZ-Blog  

zurück