Zollabfertigung modernisieren – Leistungsfähigkeit sichern, Kontrolle stärken
Der grenzüberschreitende Online-Handel hat die Arbeitsrealität der Zollverwaltung grundlegend verändert. Die Paketmengen steigen seit Jahren massiv, befeuert durch globale Handelsplattformen, das Mehrwertsteuer-Digitalpaket und den Brexit. Im Drittlandsverkehr fallen inzwischen weit über hundert Millionen elektronischer Paketanmeldungen jährlich an, Tendenz steigend – eine Last, die die Kolleginnen und Kollegen in den Abfertigungsstellen täglich spüren. Gleichzeitig wächst die Komplexität der anzuwendenden EU-Vorschriften, etwa in den Bereichen Verbraucherschutz, Nachhaltigkeit, Verbote und Beschränkungen sowie Sanktionsdurchsetzung. Für den BDZ steht fest: Die derzeitige Kontrolldichte wird den sicherheitspolitischen und verbraucherschutzrechtlichen Erwartungen nicht mehr gerecht. Gerade im Bereich der Kleinsendungen nutzen einige Marktteilnehmer die Geschwindigkeit und Anonymität des E-Commerce gezielt aus; Abgabenhinterziehung, Produktpiraterie, Ramschware sowie Umwelt- und Artenschutzverstöße nehmen zu.
Auch die Bedeutung der Binnenzollämter darf nicht unterschätzt werden. Sie sind ein unverzichtbarer Teil einer funktionierenden Abfertigungsarchitektur, doch vielerorts fehlt es – ebenso wie an den verkehrsnahen Abfertigungsstellen – an Personal, geeigneter Infrastruktur und leistungsfähigen IT-Verfahren. Hier zeigt sich das strukturelle Grundproblem: Der Zoll arbeitet mit erheblichen technologischen Rückständen, während Kriminelle digitale Tools, automatisierte Datenanalysen und arbeitsteilige Logistik ausnutzen. Diese Asymmetrie führt dazu, dass trotz hoher Einsatzbereitschaft der Beschäftigten die Effektivität der Kontrollen gefährdet wird. Der BDZ fordert deshalb die konsequente Modernisierung der IT-Fachverfahren, die Einführung KI-gestützter Risikoanalysen sowie integrierte Schnittstellen zu Post- und Kurierdiensten sowie den Wirtschaftsbeteiligten, um das enorme Abfertigungsvolumen überhaupt noch zielgerichtet bewältigen zu können. Gleichzeitig brauchen wir trotz aller Technologie eine bessere personelle Ausstattung in den Zollämtern. Denn digitale Lösungen dauern und die aktuelle Paketflut ist ohne mehr Zöllnerinnen und Zöllner nicht zu stemmen.
Infrastruktur ertüchtigen – Staatliche Handlungsfähigkeit erhalten
Für eine wirksame Zollabfertigung im digitalen Warenverkehr braucht es eine klare politische Priorisierung. Der Staat muss in der Lage bleiben, sowohl wirtschaftsfreundliche Abläufe sicherzustellen als auch Gefahren für Verbraucherinnen und Verbraucher abzuwehren. Dazu gehören moderne Liegenschaften, ausreichend Lager- und Kontrollkapazitäten sowie eine IT, die den Namen „digital“ verdient. Der deutsche Zoll ist Partner der größten europäischen Volkswirtschaft, muss jedoch mit veralteten oder unzureichend integrierten Systemen arbeiten – eine Realität, die der BDZ regelmäßig anprangert.
Neben der Paketflut im E-Commerce darf nicht übersehen werden, dass der überwiegende Teil des deutschen Außenhandels weiterhin über klassische Zollverfahren im Bereich der industriellen B2B-Warenströme, der Seefracht, der Luftfracht und des Straßengüterverkehrs abgewickelt wird. Hier findet die eigentliche, fachlich anspruchsvolle zöllnerische Arbeit statt – mit komplexen Warenbeschreibungen, Ursprungsregeln, Präferenzabkommen, außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigungspflichten sowie hunderten sektoralen EU- und Bundesvorschriften vom Chemikalienrecht bis zu Dual-Use-Gütern. Dieser Bereich ist der Motor des Wirtschaftsstandorts Deutschland und entscheidend für Exportfähigkeit, Lieferkettenstabilität und Sicherheit unserer Industrie.
Es ist daher notwendig, dass die Politik zur Kenntnis nimmt: Der grenzüberschreitende Warenverkehr Deutschlands besteht nicht nur aus Kleinsendungen internationaler Marktplätze. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes hängt maßgeblich davon ab, dass klassische Zollabfertigungsprozesse – etwa für Maschinen, Vorprodukte, Industrieanlagen, Rohstoffe und High-Tech-Komponenten – reibungslos und rechtssicher funktionieren. Die Unternehmen erwarten zurecht verlässliche, schnelle und fachkundige Entscheidungen der Zollverwaltung, denn Verzögerungen in diesen Bereichen wirken sich unmittelbar auf Produktionsabläufe, Lieferketten, Investitionen und Wettbewerbsfähigkeit aus.
Gerade in diesen industriellen Kernbereichen braucht es ausreichend qualifiziertes Personal, moderne Fachverfahren und eine leistungsfähige Abfertigungsstruktur. Denn anders als im automatisierten Massengeschäft des E-Commerce erfordern klassische B2B-Abfertigungen tiefes Fachwissen, sorgfältige Risikobewertungen und die sichere Anwendung eines hochkomplexen Normengefüges. Ein Zoll, der hier an Schlagkraft verliert, gefährdet nicht nur Steuereinnahmen und Sicherheit, sondern auch zentrale volkswirtschaftliche Interessen Deutschlands.
Die Stärkung des klassischen Zollgeschäfts ist deshalb kein Gegensatz zur Modernisierung der E-Commerce-Abfertigung, sondern eine zwingende Ergänzung. Beide Bereiche sind essenziell – doch politisch muss klarer zwischen massenhaftem Paketverkehr und der wirtschaftlichen Lebensader des deutschen Außenhandels unterschieden werden. Der BDZ fordert daher, den Fokus nicht nur auf den Online-Handel zu richten, sondern die industrielle Zollabfertigung als strategische Infrastruktur des Exportlandes Deutschland dauerhaft zu sichern und zu modernisieren.
Wenn die Europäische Union strengere Vorgaben zu Nachhaltigkeit, Lieferketten, Sanktionsdurchsetzung oder Produktstandards macht, müssen diese Regeln in der Abfertigung auch vollziehbar sein. Anderenfalls wird der ursprünglich Zweck konterkariert, auf Kosten von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie ehrlicher Unternehmen und Wirtschaftsbeteiligter.
Dafür braucht es eine verlässliche, auskömmlich finanzierte Zollverwaltung, die Personal, Technik und Räumlichkeiten auf hohem Niveau vorhält. Der BDZ macht deutlich: Die Zollabfertigung ist kein Randthema mehr, sondern ein zentraler Schauplatz wirtschaftlicher, verbraucherschutzrechtlicher und sicherheitspolitischer Interessen.




