Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2023 veröffentlicht
Zoll erneut Spitzenreiter bei OK-Verfahren
Wie bereits in den Vorjahren hat die Bundeszollverwaltung auch 2023 mit deutlichem Abstand die meisten Verfahren gegen Organisierte Kriminalität (OK) in Deutschland geführt. Das zeigt das vergangene Woche von der Bundesinnenministerin vorgestellte Bundeslagebild. Ebenso wird deutlich: Bei der Trockenlegung schmutziger Geldströme geht es kaum voran.
Am 05. September 2024 stellten Bundesinnenministerin Nancy Faeser und der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, das Bundeslagebild 2023 im Rahmen einer Pressekonferenz vor. Die zentralen Ergebnisse und der Bericht selbst sind ebenfalls auf der Webseite des BKA veröffentlicht.
Wie in den Vorjahren bewegt sich die Anzahl bundesweit geführter OK-Verfahren auf hohem Niveau (2023: 642, 2022: 639). Der Anteil des Zolls an allen Verfahren ist dabei erneut gestiegen und machte 2023 ganze 145 Verfahren aus (2022: 122). Der Zoll führt demnach ein Vielfaches der Verfahren wie das BKA selbst und deutlich mehr als jedes einzelne Bundesland bzw. Landeskriminalamt. Rund ein Drittel der Verfahren des Zolls fanden, bedingt u.a. durch die ausufernde Rauschgiftkriminalität, unter Leitung einer Staatsanwaltschaft im Bundesland Nordrhein-Westfalen statt. Auch weist das Lagebild einige vom Zoll bei der europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) geführte Verfahren aus, was den grenzüberschreitenden Charakter der OK-Bekämpfung und die zunehmende internationale Zusammenarbeit herausstellt. Auffallend ist ferner eine Zunahme an OK-Verfahren bei Steuer- und Zolldelikten, was v.a. mit Blick auf die kriminellen Erträge in diesem Deliktsbereich sichtbar wird: In 42 solcher Verfahren wurden 2023 rund 470 Mio. € ermittelt, vergleichen mit 199 Mio. € aus dem Vorjahr.
Die Statistiken des OK-Lagebilds 2023 unterstreichen erneut die hervorragende Leistung der vielen Kolleginnen und Kollegen des Zollkriminalamts, Zollfahndungsdienstes, der FIU und den entsprechenden Sachgebieten der Hauptzollämter, die an den Ermittlungen mitgewirkt haben. Das zeigt: Die bestehenden Strukturen der Zollverwaltung arbeiten erfolgreich. Darüber hinaus bestätigt der Bericht aus fachlicher Sicht viele der wiederholt vom BDZ getätigten Äußerungen und Forderungen in der Kriminalitätsbekämpfung. Während die Täterseite immer professioneller wird, können engagierte Ermittler/-innen oft nur mit angezogener Handbremse dagegen vorgehen.
Bundesinnenministerin Faeser und BKA-Präsident Münch betonten, dass der Ausbau der Ermittlungskapazitäten gerade im Bereich (digitaler) Finanzermittlungen und die Auswertung kryptierter Telekommunikation von entscheidender Bedeutung seien, um den kriminellen Netzwerken nachhaltig entgegenzuwirken. Diese würden zudem immer stärker versuchen, Einfluss auf Justiz, Verwaltung und Politik zu nehmen, was in 97 Verfahren nachgewiesen werden konnte, wobei auch hier von einem großen Dunkelfeld auszugehen ist. Die Brutalität der Banden würde infolge immer höherer Erlöse aus Straftaten zunehmen: "Mit dem Geld kommen die Waffen", resümierte Faeser.
Nun ist die Politik insgesamt gefragt, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und sich endlich von der Vorstellung zu verabschieden, dass OK-Bekämpfung zum Nulltarif zu haben sei.
Schäden durch Geldwäsche liegen weitaus höher
Der Bericht weist eine ernüchternde Zahl im Bereich der Vermögenssicherungen auf: So betrugen die "vorläufig gesicherten Vermögenswerte" nur 83 Mio. €, was einen Rückgang von 228 Mio. € im Vorjahr bedeutet. Laut Lagebild sei dies zum einen auf viele neue Verfahren zurückzuführen, die sich noch in einem Stadium befinden, in dem eine Sicherung von Vermögenswerten noch nicht stattgefunden hat. Zum anderen könne dies jedoch auch darauf hindeuten, dass es für die Strafverfolgungsbehörden immer schwieriger werde, die Verschleierungsmaßnahmen der OK-Gruppierungen aufzudecken, so der Bericht.
Die Summe der im Rahmen aller Verfahren ermittelten (und noch nicht gesicherten) kriminellen Erträge beträgt 2023 etwas über 1 Milliarde €. Unter Fachleuten gilt als gesichert, dass diese Zahl nur einen Bruchteil der wahren Dunkelziffer abbildet, die inzwischen vermutlich weit über den oft zitierten 100 Milliarden € liegt. Der Bericht selbst weist auf das Dunkelfeld hin. Aus dem Jahresbericht der Financial Intelligence Unit (FIU) 2023 bekannte geldwäscherelevante Sachzusammenhänge, beispielsweise hinsichtlich Terrorismusfinanzierung oder Verbindungen zwischen Rauschgifthandel und Umweltkriminalität, werden im OK-Lagebild nicht abgebildet. Es ist somit von einer massiven Untererfassung der wahren Ausmaße der durch Geldwäsche beflügelten Kriminalität auszugehen. Neuesten Schätzungen von Europol zufolge werden EU-weit jährlich bis zu 210 Milliarden € schmutziger Gelder von kriminellen Organisationen gewaschen, die Behörden der Mitgliedstaaten schöpfen jedoch nur rund 4 Milliarden € dieser inkriminierten Vermögenswerte erfolgreich ab.
Das Bundeslagebild OK erläutert im Einzelnen, dass im Berichtsjahr zwar in rund einem Drittel aller OK-Verfahren Geldwäscheaktivitäten festgestellt wurden, jedoch nur in 21 Prozent konkrete Ermittlungen wegen des Verdachts der Geldwäsche gemäß § 261 StGB geführt wurden. Diese fanden wiederum überwiegend in den Hauptdeliktsbereichen „Rauschgifthandel/-schmuggel“, „Geldwäsche“ (als eigenständiges Delikt) sowie „Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben“ statt.
Die vorgelegten Zahlen können demnach dahingehend interpretiert werden, dass Deutschland nach wie vor weit vom „follow the money“-Ansatz in der Geldwäschebekämpfung entfernt ist. Aus Sicht des BDZ müssen Fahnder/-innen von Anfang an inkriminierte Vermögenswerte ins Visier nehmen und wenn nötig abschöpfen können. Im Gegenzug müssen sie weniger intensiv als bislang mit kleinteiligen Fallermittlungen belastet werden. Das geplante Bundesamt für Finanzkriminalität (BBF) sollte daher nicht erneut ergebnislos beraten und verschoben, sondern nun beschlossen werden. Es muss zudem mit echten Befugnissen ausgestattet werden. Dazu müssen nach Auffassung des BDZ über den aktuellen Gesetzentwurf zum Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetz hinausgehend auch die sog. administrativen Vermögensermittlungen gehören.
Wie wir bereits kritisch berichtet hatten, würden weitere Verzögerungen im Parlament im Augenblick schlicht dazu führen, dass die Personalgewinnung für den Aufbaustab zur Errichtung der BBF immer schwieriger wird. Dies gilt es zu vermeiden. Viele hochqualifizierte und motivierte Kolleginnen und Kollegen haben sich bereits für diese Aufgabe beworben und möchten helfen, den Kriminellen den Geldhahn abzudrehen. Dafür sollte ihnen die Politik nun grünes Licht geben.