Amtsangemessene Alimentation
Referentenentwurf zur Bundesbesoldung bleibt erneut deutlich hinter den Erwartungen des BDZ zurück!
Nach einer „Bearbeitungszeit“ von mehr als vier Jahren seit dem maßgeblichen Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat das Bundesministerium des Innern (BMI) einen neuen Referentenentwurf zur Sicherstellung einer amtsangemessenen Bundesbesoldung und –versorgung (BBVAngG) vorgelegt. Trotz mancher Korrekturen im Vergleich zur früheren Fassung beschränkt sich der Entwurf auf die Regelung einzelner Besoldungselemente, mit denen lediglich die rechtlichen Mindestanforderungen an eine amtsangemessene Alimentation eingehalten werden sollen. „Die mangelnde Wertschätzung gegenüber der Bundesbeamtenschaft bleibt“, resümiert der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel.
Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) lehnt den vom BMI vorgelegten Referentenentwurf für ein Bundesbesoldungs- und -versorgungsangemessenheitsgesetz (BBVAngG) zur Herstellung amtsangemessener Besoldung entschieden ab. Unsere ausführliche Stellungnahme zum Referentenentwurf werden wir in nächster Zeit veröffentlichen. Heute stellen wir unsere Position in Kürze dar.
Liebel: Entwurf ist Kleckerbetragspolitik!
Zwar erfüllt der Entwurf die minimalen rechtlichen Vorgaben zur Einhaltung des vom Bundesverfassungsgericht geforderten Mindestabstands von 15 Prozent zwischen Beamtenbesoldung und Sozialhilfeniveau. Jedoch geschieht dies auf höchst unsystematische, leistungsfeindliche und intransparente Art und Weise. Die bisherigen Einwände des dbb beamtenbund und tarifunion und seiner Mitgliedsgewerkschaften wie dem BDZ gegenüber dieser Herangehensweise und ihre Forderungen nach einer grundlegenden Weiterentwicklung des Besoldungssystems zugunsten klarer, leistungsgerechter und dauerhaft verfassungsgemäßer Besoldungsstrukturen werden weiterhin ignoriert. „Schon heute ist das Vertrauen vieler Beschäftigter in die Rechtmäßigkeit der gewährten Besoldung aufgrund jahrelang gewährter Unteralimentation erschüttert“, kritisiert der BDZ-Bundesvorsitzende Liebel die beharrliche Untätigkeit der Regierung. „Dazu kommt der schwindende Glaube der Bevölkerung, dass der Staat seine Aufgaben noch erfüllen kann. In dieser Situation legt das BMI einen Entwurf vor, der auf Kleckerbetragspolitik hinausläuft.“
Ein zentrales Besoldungselement, mit dem sich das BMI gewissermaßen „auf den Cent“ (und nicht mehr) an die Mindestvorgabe aus Karlsruhe heranrechnet, ist der geplante Alimentative Ergänzungszuschlag (AEZ). Dieser soll den notwendigen Mindestabstand gewährleisten, ist aber rechtlich mehr als bedenklich. Vor allem zementiert er die Entwertung der Grundgehälter und nimmt eine dauerhafte Aushöhlung der Prinzipien einer amts-, funktions- und leistungsgerechten Alimentation in Kauf. In der vorgelegten Form kann auch keine Beamtin bzw. kein Beamter anhand der Werte nachvollziehen, ob die gewährte Besoldung tatsächlich und jederzeit amtsangemessen ausgestaltet ist. Einzig die Anhebung der Grundbesoldung in Gänze ist der rechtlich richtige und tatsächlich mögliche Weg, das Abstandsgebot in der Praxis einzuhalten.
Hinzu kommt ein Rechentrick, mit dem sich das BMI an die Einhaltung des Mindestabstands von 15 Prozent zum Sozialhilfeniveau heranrechnet: Die Berücksichtigung eines fiktiven Partnereinkommens. Bei der Bemessung der familienbezogenen Alimentation erfolgt eine typisierte Berücksichtigung eines (fiktiven) Erwerbseinkommens der Ehegattin oder des Ehegatten einer Beamtin bzw. eines Beamten oder einer mit ihr oder ihm in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Partnerin bzw. eines mit ihr oder ihm in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebenden Partners.
Fehlende Wertschätzung zeigt sich in Denkfehlern des BMI
Aufgabe des Bundes wäre es gewesen, seiner Vorbild- und Leitfunktion mit der Schaffung klarer und transparenter Besoldungsstrukturen nachzukommen, die dauerhaft eine verfassungsgemäße, leistungsgemäße und attraktive Alimentation sicherstellen und so das verloren gegangene Vertrauen seiner Beamtinnen und Beamten wieder zurückzugewinnen. Stattdessen zeugt der Entwurf von Ungleichbehandlungen und widersprüchlicher Logik, die von einer sachgerechten und attraktiven Weiterentwicklung des Besoldungsrechts weit entfernt sind. Die mangelnde Fürsorge gegenüber den beamteten Beschäftigten, wird auch dadurch deutlich, dass der Bund als letzter von insgesamt 17 Besoldungsgesetzgebern die verfassungsrechtliche Rüge des Bundesverfassungsgerichts aufgreift und sich dabei ausschließlich am Korsett der Rechtsprechung orientiert. Beispielsweise wird in keinster Weise auf die seitens des BDZ seit Jahren kritisierte hohe finanzielle Belastung von Single-Haushalten – oftmals dienstjüngeren Beamtinnen und Beamten - im Zuge der Fürsorge des Dienstherrn reagiert.
Das BMI widerspricht sich beispielsweise selbst, wenn es hinsichtlich des zur Wahrung des Gesamtgefüges der Besoldung gebotenen internen Abstands zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen lediglich die Grundbesoldung für maßgeblich hält, mit Blick auf den vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Mindestabstand zum Sozialhilfeniveau allerdings die Berücksichtigung zusätzlicher Besoldungselemente für zulässig hält.
Insbesondere die Hinzurechnung eines fiktiven Partnereinkommens, die als solche erst den Abstand von 15 Prozent zur Grundsicherung der Sozialhilfe ermöglicht, ist ein Affront. Die schlichte Annahme, dass ein zweites Partnereinkommen vorliegt, selbst wenn dies in der Realität nicht der Fall ist, ist nicht mehr als ein intransparenter Rechentrick. Für den BDZ sind derartige Konstruktionen inakzeptabel und auch nicht mit den hergebrachten Grundsätzen des Beamtentums vereinbar.
Im Gegensatz zur Sichtweise anderer Gewerkschaften und Interessenvertretungen wird die negative Bewertung des vorliegenden Neuentwurfs nicht dadurch relativiert, dass das im ersten Entwurf enthaltene Vorhaben einer Abschaffung des Familienzuschlags der Stufe 1 fallengelassen wurde. Für den BDZ ist dies selbstverständlich, da ein Entfallen des Familienzuschlags der Stufe 1 nicht dem Beschluss des Bundestags zur Reform des Familienzuschlags entsprochen hätte und im Übrigen vor dem Hintergrund des Art. 6 GG verfassungsrechtlich äußerst bedenklich gewesen wäre. BDZ und dbb haben dies im Rahmen der Stellungnahme zum ersten Entwurf erfolgreich geltend gemacht.
Der Gesetzgeber muss im weiteren parlamentarischen Verfahren endlich besoldungsrechtliche Regelungen treffen, die den Beamtinnen und Beamten nicht nur die absolute unterste Grenze der Mindestalimentation sichern, sondern eine dauerhaft verfassungsgemäße, leistungsgerechte, transparente und attraktive Besoldung garantieren. Dies leistet der vorliegende Entwurf nicht. Wir werden weiter berichten.
Referentenentwurf
Kurzbewertung
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