Regierungskrise - wie geht es weiter?
BDZ dankt Christian Lindner für die gute Zusammenarbeit
Nach Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner wird der Staatssekretär aus dem Bundeskanzleramt, Jörg Kukies, neuer Interimsminister im Bundesministerium der Finanzen (BMF) werden. Der BDZ hofft auf eine Fortführung der konstruktiven und guten Zusammenarbeit, wie dies mit der bisherigen politischen Leitung des Hauses der Fall war. Wir nehmen die aktuellen Entwicklungen zum Anlass für eine Rückschau und einen Ausblick auf die kommende Zeit.
- Rückblick auf die konstruktive Zusammenarbeit zwischen BDZ-geführtem HPR und dem ehemaligen Minister Lindner, z.B. bei der Erklärung von Nulltoleranz bei Gewalt gegenüber Beschäftigten (Foto Mitte).
„Ich bedanke mich ausdrücklich für die vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit mit Minister Lindner, der ein ausgeprägtes – nicht selbstverständliches – Interesse an der Unterstützung der Bundesfinanzverwaltung und hier insbesondere des Zolls hatte,“ schreibt der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel in einem Rundschreiben an die Mitglieder der Gewerkschaft. Dies sei unter früheren Ministern nicht immer der Fall gewesen. Die Zusammenarbeit auf Ebene des BDZ-geführten Hauptpersonalrats beim BMF war von Augenhöhe und gegenseitigem Respekt geprägt, so Liebel.
Kontroverse Standpunkte konnten stets mit Blick auf mögliche Lösungsansätze ausgetauscht werden, was auch zur Durchsetzung vieler Forderungen des BDZ führte. Dies lässt sich an folgenden Entwicklungen innerhalb der endenden Legislaturperiode beispielhaft verdeutlichen:
- Entbürokratisierung: Abschaffung der Arbeitgeberprüfquote im Bereich der Finanzkontrolle Schwarzarbeit für deutlich mehr risikobasierte Flexibilisierung der Prüf- und Ermittlungsansätze
- Personeller Zuwachs: Trotz haushalterischer Engpässe mehr als 6.500 Planstellen / Stellen zur Stärkung von Zoll, ITZBund und Bundeszentralamt für Steuern
- Investitionen: Zusage von 600 Mio. EUR zusätzlicher Investitionen für Digitalisierung sowie Sachausstattung und Einsatzmittel im Zuge der mittelfristigen Finanzplanung
- Aufstiegsformate: Ausschöpfung vorhandener Aufstiegsmodelle – insbesondere der fachspezifischen Qualifizierung vom mittleren Dienst in den gehobenen Dienst – von ursprünglich 75 auf 200 Aufstiegskapazitäten.
- Unterstützung bei der Schaffung durchlässiger Laufbahnsysteme trotz bislang nicht aufgelöster Blockadehaltung des federführenden BMI
- Gewaltschutzprogramm im Zuge der Erklärung von Nulltoleranz bei Gewalt gegenüber von Beschäftigten innerhalb der Bundesfinanzverwaltung als bislang einzigartiges Modell innerhalb der Bundesverwaltungen
- Konstante Fortentwicklung der Einstellungsermächtigungen und flächendeckende Ausstattung der Nachwuchskräfte mit Dienstkleidung
- Wahrung der Einheit des Zolls und seiner Aufgabendiversität unter Abwehr jeglicher politischer Versuche der Zerschlagung bzw. Abspaltung der Kernaufgaben des Zolls
- Akzentuierte Fortentwicklung der Marke des Zolls als Einnahmeverwaltung des Bundes sowie integraler Bestandteil der Sicherheitsarchitektur
Es liegt in der Natur der Sache, dass viele Punkte nicht allein durch das BMF gelöst werden können. Dies betrifft nicht nur den Bundeshaushalt, der nun nicht wie vorgesehen mit einer parlamentarischen Mehrheit verabschiedet werden kann, und dessen Investitionsvolumen in den Zoll aus Sicht des BDZ trotz marginalem Aufwuchs leider noch deutlich zu gering angesetzt ist. Eine vorläufige Haushaltsführung ist absehbar. Auch verschiedene Fachgesetze müssen übergreifend behandelt werden, insbesondere im Beamtenrecht. Hier bedarf es einer Mitwirkung anderer Ressorts, in erster Linie des Bundesministeriums des Innern, das sich bislang wenig gesprächsbereit zu den Forderungen des BDZ gezeigt hat.
BDZ wird politisches Forderungspaket vorlegen
Aufgrund der sich abzeichnenden – vorgezogenen – Bundestagswahl wird der BDZ zeitnah ein Forderungspaket für echte und wirkungsvolle Maßnahmen zur Förderung unseres Personals und der Unterstützung der täglichen Arbeit und Herausforderungen vorlegen und mit den demokratisch orientierten Parteien des Bundestages beraten. Im Fokus stehen dabei:
- Die Umsetzung einer tatsächlich amtsangemessenen Alimentation (seit 06. November 2024 liegt ein neuer Kabinettsentwurf vor - den Referentenentwurf lehnten wir ab)
- Konkrete Maßnahmen zur Attraktivitätssteigerung des Bundesbeamtentums im Rahmen der Fortschreibung der von – ehemaligen - Minister Lindner unterstützten Demografiestrategie des BMF
- Der Beschluss der überfälligen Fachgesetze im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung, Schwarzarbeitsbekämpfung und Geldwäschebekämpfung
- Die politische Flankierung der laufenden Strukturreformen und Großprojekte beim Zoll, sachbezogen und ohne Aktionismus
- Eine proaktivere Haltung der Bundesregierung zur EU-Zollreform, die massive Folgen für die deutsche Zollverwaltung bringt
Dabei ist entscheidend, dass die politischen Entscheidungen rechtzeitig getroffen werden und danach nicht erneut durch unproduktive Streitigkeiten innerhalb der Bundesregierung zum Stillstand gebracht werden. Hier muss sich auch der ehemalige Bundesfinanzminister Lindner Kritik gefallen lassen. Zwar ist ihm Sinne seines Engagements für den Zoll positiv anzurechnen, dass er wegweisende politische Initiativen zu dessen Stärkung auf den Weg gebracht hat – beispielsweise die Strategie zur Optimierung der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Geldwäsche. Jedoch gehört zur Wahrheit, dass bereits der Koalitionsvertrag der zerbrochenen Ampel-Regierung diese Zielsetzung von Anfang an beinhaltete.
Wesentliche Organisationsreformen von hoher Komplexität und Tragweite – auch die Errichtung einer neuen Bundesoberbehörde im eigenen Geschäftsbereich – sollten zu Beginn einer Legislaturperiode angegangen werden, um diese im Fall eines Regierungswechsels zum gelungenen Abschluss zu bringen. Anderenfalls droht der aktuelle Schwebezustand einzutreten, unter dem in erster Linie die von den Reformmaßnahmen betroffenen Kolleginnen und Kollegen zu leiden haben.
Der BDZ wird nun den Dialog mit der neuen Hausleitung sowie den Parteien mit politischen Gestaltungsanspruch suchen. Richtschnur muss die Fortsetzung vieler, von Minister Lindner richtigerweise verfolgter Zielsetzungen im Sinne der Beschäftigten sein. Die Beschäftigten dürfen nicht erneut zum Spielball der Politik werden. Das setzt voraus, dass dem Zoll innerhalb der gesamten Bundesregierung größere Aufmerksamkeit zukommt. Wir danken Christian Lindner, sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt zu haben – auch wenn es ihm nur zum Teil gelungen sein mag. Nun gilt es, weiter an Lösungen zu arbeiten.