BDZ im Dialog
Austausch zu Verbraucherschutz mit Nadine Heselhaus MdB (SPD)
Während der Online-Handel boomt, erfüllt der Zoll erfüllt eine wichtige Rolle im Verbraucherschutz. Angesichts der Paketflut aus China werden die Rufe nach stärkeren Zollkontrollen lauter. Darüber sprach der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel mit der verbraucherschutzpolitischen Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nadine Heselhaus MdB, die auch Mitglied im Finanzausschuss ist. Die SPD-Fraktion hatte im September selbst ein Positionspapier zum E-Commerce veröffentlicht.
Wie der BDZ erst letzte Woche berichtete, wird der EU-Markt aktuell zunehmend mit Billigwaren überschwemmt, die nicht den europäischen Sicherheits- und Verbraucherschutzstandards entsprechen. Laut einer Schätzung des Europäischen Verbraucherverbands weisen bis zu 66 Prozent der Online-Produkte Mängel auf. Anlässlich Black Week, Cyber Monday und Weihnachtsgeschäft berichtet auch das Magazin der dbb jugend #staatklar über die Herausforderungen der Billig-Ware: "Wer nicht möchte, dass die Billig-Lichterkette den Weihnachtsbaum abfackellt, sollte sich für die Stärkung des Zolls einsetzen", sagt der Vorsitzende der BDZ-Jugend, Tim Lauterbach, gegenüber #staatklar. Hier geht's zum Artikel: Weihnachtsgeschäft: Hohe Arbeitsbelastung bei Post und Zoll
Bereits am 13.11.2024 traf sich deshalb der BDZ-Bundesvorsitzende Thomas Liebel mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Nadine Heselhaus, die sowohl Mitglied im Finanzausschuss, als auch im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz ist. Neben einem Austausch zu den aktuellen finanzpolitischen Gesetzgebungsverfahren ging es deshalb auch um die Frage der Zollkontrollen angesichts des E-Commerce-Boom.
Zoll ist Vorhut für Marktüberwachungsbehörden
Der Zoll fungiert hier als wichtige Vorhut im Sinne des Verbraucherschutzes, ist aber oft überlastet. Zöllnerinnen und Zöllner verfügen über umfangreiche Warenkenntnis und wissen beispielsweise immer welche Kleidungsstücke, Spielsachen oder Elektronikartikel im Trend sind. Bei Anhaltspunkten für mögliche Verstöße informiert der Zoll die jeweils zuständige Marktübererwachungsbehörde, die federführend über die Einfuhrfähigkeit der Waren bzw. das weitere Vorgehen entscheidet. Auch die Marktüberwachungsbehörden dürften jedoch im Falle einer deutlichen Ausweitung der Zollkontrollen sehr schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Die EU erwägt daher, statt transaktionsbezogener Maßnahmen auch sektoral zu prüfen, wie die Compliance der großen Plattformen anderweitig sichergestellt werden kann, beispielsweise im Rahmen des Digital Service Act. Denn oft können Abmahnungen oder Sanktionen gegen Händler in Fernost nicht durchgesetzt werden und die Haftung verlagert sich auf den Verbraucher.
Der weit überwiegende Teil der im Online-Handel aus Drittländern importierten Produkte wird bereits in anderen EU-Mitgliedstaaten zollamtlich abgefertigt. Ab diesem Zeitpunkt befinden sich Waren im freien Verkehr der EU. Die Einführer können über die Waren grundsätzlich frei verfügen und direkt an deutsche Kunden ausliefern. Im Rahmen der EU-Zollreform sind daher unter anderem ein besserer Datenaustausch zwischen Zollbehörden sowie Vereinfachungen für vertrauenswürdige Unternehmen geplant. Ob die Vorschläge der EU-Kommission wie die Schaffung einer Zollagentur und Zentralisierung des Risikomanagements zielführend sind, wird allerdings kontrovers diskutiert und auch vom BDZ kritisch gesehen.
Positionspapier der SPD-Bundestagsfraktion fordert Investitionen in den Zoll
Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat am 5. September 2024 ein Positionspapier „Fairer Wettbewerb im Onlinehandel: Verbraucher:innen schützen, Regeln durchsetzen! Chinas E-Commerce-Praktiken stoppen“ veröffentlicht. Unter anderem fordert das Papier eine enorme Ausweitung der Zollkontrollen, zugleich aber auch massive Investitionen in die personelle und technische Ausstattung der Zollbehörden. Nadine Heselhaus MdB bekräftigte: „Uns ist wichtig, dass der Zoll effektiv arbeiten kann. Wer einen schlagfertigen Zoll möchte, muss auch an mehr Personal und Ausstattung arbeiten.“
Bei der Zollabfertigung soll die Möglichkeit geschaffen werden, Künstliche Intelligenz zur Entastung einzusetzen. Darüber hinaus spricht sich die SPD für das Vorhaben der EU-Kommission aus, große Onlinehandelsplattformen als Importeure („fiktive Einführer“) gelten zu lassen, um Verbraucherrechte besser durchsetzen zu können. Generell sieht die SPD-Bundestagsfraktion Vollzugsdefizite beim europäischen und nationalen Rechtsrahmen, der zwar eigentlich ein hohes Schutzniveau gewährleiste, jedoch unterlaufen wird und gegenüber den chinesischen Plattformen nur unzureichend durchgesetzt werden könne. Diese seien im europäischen Raum quasi „unsichtbar“, weshalb es eine Verpflichtung zu echten Zustellungsbevollmächtigten und Ansprechpartner/-innen auf nationaler und europäischer Ebene brauche. Die Marktüberwachung müsse dementsprechend europaweit abgestimmt sein. Nicht zuletzt spricht das Papier Nachhaltigkeitsaspekte in Verbindung mit den Lieferketten des E-Commerce an. Bemängelt wird, dass die chinesischen Onlineshops keine Transparenz zu den Arbeitsbedingungen oder zur Herkunft der Rohstoffe und Vorprodukte herstellen. Europäische Unternehmen sähen sich auch deshalb einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt.
BDZ: Zollabfertigung digitalisieren!
Der BDZ unterstützt eine ganzheitliche, europäische Lösung der Herausforderungen und sieht die Notwendigkeit für eine handelspolitische Gesamtstrategie der Bundesregierung, die auf die zoll-, steuer- und außenwirtschaftsrechtlichen Problemstellungen eingeht. Aus Sicht des BDZ haben die einzelnen Ressorts bisher zu unkoordiniert agiert, was beispielsweise in dem nicht mit dem Bundesministerium der Finanzen abgestimmten Aktionsplan E-Commerce des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zum Ausdruck kam. Dieser spricht ähnliche Punkte wie das Papier der SPD-Bundestagsfraktion an. Inwieweit dieser Aktionsplan angesichts des Ende der Ampel-Koalition weiterverfolgt werden kann, bleibt unklar.
Eine reine Ausweitung von Kontrollen wird dem Problem jedenfalls nicht gerecht. Vielmehr müssten aus Sicht des BDZ politische Vorgaben zur Priorisierung der Aufgaben geschaffen und massive Investitionen in Digitalisierung, IT-Infrastruktur und Personal getätigt werden. Thomas Liebel stellte gegenüber der Abgeordneten dar, dass der Zoll bereits heute an der Umsetzung einer Vielzahl von Regelungen aus übergeordnetem Recht mitwirkt. Nach Aussagen der Europäischen Kommission setzen die Zollbehörden bereits heute über 350 verschiedene EU-Regelwerke aus Politikbereichen wie Handel, Industrie, Sicherheit, Gesundheit, Arten-, Umwelt- und Klimaschutz um – Tendenz steigend. Kontrollprobleme gibt es also nicht nur bei chinesischen Onlineshops. Die Anforderungen an den Beruf des Zöllners bzw. der Zöllnerin würden infolge der Aufgabenkomplexität stetig zunehmen. Um die Expertise des Personals besser zu nutzen, plädiert der BDZ für ein modernes, schnelles und intelligentes System der digitalen Zollabfertigung, das risikobehaftete Sendungen mit Hilfe von Algorithmen und ggf. künstlicher Intelligenz qualifiziert an den Zoll zur manuellen Bearbeitung aussteuert und unkritische Waren weitestgehend automatisiert abfertigt.
Thomas Liebel und Nadine Heselhaus MdB vereinbarten, weiter im Gespräch zu bleiben.